Stellungnahme der Plattform 20000frauen zur Frauenpolitik der österreichischen Bundesregierung

Aufbruch durch Bundespräsidentenwahl und Regierungsumbildung? Vielleicht, aber nicht in der Frauenpolitik! Diese bleibt ein Anhängsel, trotz des Verfassungsbekenntnisses zu faktischer Geschlechtergleichheit und Frauenförderung und der europarechtlichen Verpflichtung zu Gender Mainstreaming!

Wenn es um eine starke, emanzipatorische Frauenpolitik in Österreich geht, sind es jedoch nicht (nur) die Rechten, die verhindern, verschleppen oder Probleme schlicht ignorieren. Mit der Regierungsumbildung durch den neuen Bundeskanzler Christian Kern wurde abermals die Chance verabsäumt, die Frauenpolitik durch ein eigenes Ministerium mit entsprechenden Budgetmitteln und Kompetenzen aufzuwerten.
Das Frauenressort wurde lediglich vom Bildungsministerium in das Gesundheitsministerium verschoben. Durch diese Vorgehensweise entsteht der Eindruck, dass die Frauenpolitik ein lästiges Anhängsel ist, das von der Regierung wohl oder übel mitgeschleppt wird.

Gründe dafür, Frauenpolitik und Gender Mainstreaming – in allen Ministerien – endlich ernst zu nehmen, gäbe es zur Genüge:

– Österreich liegt bei der gleichen Bezahlung von Männern und Frauen nach wie vor auf dem vorletzten Platz in der EU. Während der Gender Pay Gap im EU-Durchschnitt rund 16 Prozent beträgt, verdienen hierzulande Frauen durchschnittlich 23 Prozent weniger als Männer. Hinzu kommt die geringere Bewertung von “typischen” Frauenberufen: Pädagogische Berufe und Pflegeberufe werden sehr viel schlechter entlohnt als beispielsweise technische Berufe. Auch wenn es eine äußerst wichtige Aufgabe ist, diese Geschlechterseggregation aufzubrechen und Mädchen und Frauen den Zugang zu sämtlichen Berufen zu ermöglichen, reicht es nicht aus, “Frauen in die Technik”-Programme zu lancieren, um den Gender Pay Gap zu bekämpfen.
– Alleinerzieherinnen sind in Österreich besonders stark armutsgefährdet. Hier sind nicht nur Reformen u.a. beim Unterhalt gefragt, sondern auch der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen und Ganztagsschulen.
– Frauen bekommen in Österreich durchschnittlich fast 50 Prozent weniger Alterspension als Männer. Obwohl sich – wie eine Berechnung des Wifo zeigt – eine Erhöhung des Antrittsalters für Frauen keinen wesentlichen Effekt auf die Pensionshöhe hat, steht dies nach wie vor im Zentrum politischer Diskussion. Knapp die Hälfte der Frauen in Österreich arbeitet in Teilzeit, rund ein Viertel der Frauen sind Niedriglohnempfängerinnen. Da das österreichische Pensionssystem rein auf das Erwerbseinkommen ausgerichtet ist, wirkt sich das massiv auf die Alterspension für Frauen aus. Auch das Steuern- und Abgabesystem benachteiligt Frauen. Hinzu kommt, dass im Zuge der Pensionsreform 2004 der Durchrechnungszeitraum ausgedehnt wurde, was wiederum Frauen besonders trifft. Vor allem angesichts der Lage am Arbeitsmarkt reicht es nicht aus, Frauen dazu zu ermuntern, möglichst kurz in der Elternkarenz zu bleiben und Vollzeit zu arbeiten. Wir brauchen in Österreich dringend eine umfassende Diskussion über Arbeitszeit und Erwerbsmodelle sowie eine Grundsicherung für alle BürgerInnen. Denn auch 2016 sind noch immer viele Frauen vom Einkommen ihres Partners abhängig, womit eine ganz zentrale Forderung der Frauenbewegung – nämlich eine gesicherte eigenständige Existenz – nach wie vor nicht erfüllt ist. Ökonomische Abhängigkeit ist der Nährboden für häusliche Gewalt – womit die Existenzsicherung von Frauen eine wichtige gewaltpräventive Maßnahme ist.
– Die letzte Steuerreform hat zwar Verbesserungen für eine kleine Gruppe von Frauen gebracht, im Schnitt waren Frauen jedoch die Verliererinnen dieser Reform. Gender Budgeting, das seit 2008 in der Bundesverfassung verankert ist, muss endlich auf allen Ebenen umgesetzt werden. Zudem begünstig das Steuersystem in Österreich Besitz und Vermögen – so gibt es weder eine Erbschafts- noch eine Vermögensssteuer, während Erwerbsarbeit vergleichsweise hoch besteuert ist und Massensteuern wie die Mehrwert steuer Niedrigverdiener_innen, die einen Großteil ihres Einkommens für Konsum aufwenden, besonders belasten.
– Österreich verfügt über eines der schärfsten Asylgesetze Europas. Die letzten Novellierungen haben insbesondere Frauen hart getroffen. Wir brauchen endlich eine Regierung, die sich nicht von rechter Hetze treiben lässt, ein menschenwürdiges Asylgesetz und besondere Schutzmaßnahmen und Einrichtungen für geflüchtete Frauen und LGBTI-Personen. Menschenrechte haben keine Obergrenze!
– Die meisten Frauenberatungsstellen, die enorm wichtige Arbeit in Österreich leisten, verfügen über keine ausreichende Grundfinanzierung und kurzfristige Verträge. Gerade angesichts der nach wie vor patriarchalen Verhältnisse braucht es hier eine Absicherung der vielfältigen und qualifizierten Gewaltschutz-, Beratung-, Sensibilisierungs- und Forschungsarbeit.

Dies ist nur ein Ausschnitt der vielfältigen Problemstellungen, denen sich Frauen- und Gleichstellungspolitik als Querschnittsmaterie widmen muss.

Wir forden die österreichische Bundesregierung und das Parlament auf, Frauenpolitik bzw. die Gleichstellung von Männern und Frauen, die 1998 in der Bundesverfassung verankert wurde, endlich ins Zentrum ihrer politischen Arbeit zu stellen. Österreich braucht ein eigenständiges Frauenministerium mit ausreichender Finanzierung und eine Frauenministerin, die sich ganz dieser Aufgabe widmen und eng mit allen anderen Ministerien zusammenarbeiten kann.