Ö-genormte Unsichtbarkeit, Volksstimme April/14

Quer gedacht, von Bärbel Danneberg

Ö-genormte Unsichtbarkeit

Die Empörung war vorherzusehen, der Anlass ist vergleichsweise zu gröberen Ungerechtigkeiten banal: Das österreichische Normungsinstitut möchte per Generalklausel künftig auf weibliche Sprachformen verzichten. Das Binnen-I oder * oder _, die Mag.a oder Dr.in sollen künftig verschwinden. Der Entwurf zur ÖNORM A 1080 argumentiert, „Frauen sind in der männlichen Form mitgemeint“. Die Wogen gingen hoch, es hagelte Proteste, denn der Frauenalltag zeigt das mitgemeinte Gegenteil: Trotz Gleichbehandlungsrichtlinien und Diskriminierungsverboten bleibt die Vertretung von Fraueninteressen explizit ausgesperrt, wenn beispielsweise im Publikumsrat des ORF der Österreichische Frauenring, die größte Dachorganisation mit mehr als 40 Mitgliedsorganisationen, wieder einmal nicht vertreten ist.

Die Zeit scheint reif, die von vielen nur geduldeten Gleichbehandlungsgebote wieder abzuräumen. Der Stolperstein Binnen-I gibt seit mehr als 40 Jahren Anlass für sprachliche Empörung auch bei ansonsten recht aufgeschlossenen Mitmenschen – Vergewaltigung der Sprache, gestörter Lesefluss, Emanzen-Gehabe… Schon allein diese Aufgeregtheit würde für weibliche Sprachformen sprechen. Doch Sprache allein kann nicht herhalten für die Ignoranz gegenüber Fraueninteressen. Sprache aber schafft Bewusstsein und widerspiegelt gesellschaftliche Zustände.

In einem Protestschreiben des Vereins österreichischer Juristinnen gegen die geplante Ö-Norm heißt es: „Die Verwendung des Binnen-I hat sich im Alltagssprachgebrauch als eine wesentliche Variante der Sichtbarmachung der weiblichen und männlichen Form etabliert. Aus grammatikalischen Gründen wäre das Argument des ‚Mitgemeint-Seins‘ – wenn, dann – bei der ausschließlichen Verwendung der weiblichen Form insofern korrekt, als dass Normen häufig in der weiblichen Pluralform auch die männliche beinhalten.“ Männer sind aber leider nicht mitgemeint, wenn von Putzfrauen oder Krankenschwestern gesprochen wird, ebenso wenig impliziert es eine Frau, wenn wir vom Bundespräsidenten reden.

Sprache bildet nicht nur de-facto-Realitäten ab, sondern prägt auch unser Bewusstsein und wirkt damit als ein Faktor der gesellschaftlichen Weiterentwicklung, sagen die Juristinnen. „Eine geschlechtergerechte Sprache impliziert demnach nicht nur die Existenz von mehr als dem männlichen Geschlecht (und kann dadurch – je nach Fallkonstellation – eventuell schon Reflektionen über Geschlechterverhältnisse auslösen), sondern trägt darüber hinaus die Botschaft in sich, dass Geschlechtergleichstellung ein gesellschaftspolitischer Wert ist. Neben der Vermeidung der Verwendung der rein männlichen Formulierung von Texten ist das Sichtbarmachen von Frauen in der Sprache daher ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Geschlechtergleichstellung.“

Zurück zum ORF: Es ist mehr als sprachliche Ignoranz, dass in einem Gremium einer öffentlich-rechtlichen Anstalt die Mehrheit der Bevölkerung keinen Platz hat. Seit 2007 bemüht sich der Frauenring um einen Sitz im Publikumsrat des ORF – vergeblich. Abermals wurde jetzt die Bewerbung von Österreichs größter Frauendachorganisation ignoriert. „Zwar sind ältere Menschen ebenso wie Familien oder Kraftfahrer im Publikumsrat repräsentiert, eine Vertretung von Fraueninteressen ist aber nicht vorgesehen“, meint dazu die Vorsitzende des Frauenrings, Christa Pölzbauer. Das ORF-Gesetz nennt Frauen nicht als spezifische Gruppe, die im Publikumsrat vertreten sein muss, eine entsprechende Auslegung wäre jedoch durchaus möglich gewesen. Immerhin sind in allen explizit genannten Gruppen Frauen zu finden, deren Interessen der Frauenring vertritt.

Frauen sind eben nicht mitgemeint. Das zeigen sämtliche ORF-Diskussionsformate: Frauen sind unterrepräsentiert, und frauenpolitische Inhalte sind spärlich gesät. Allenfalls zum Internationalen Frauentag hat es sich bei den Sendungsverantwortlichen durchgesprochen, dass Frauen ein mediales Thema sind – bis zum nächsten Jahr.

Bärbel Danneberg