Oslo-Massaker – Reaktionen aus Österreich ORF Berichterstattung

Offener Brief an die Bundesregierung in Sachen Massaker von Oslo

Ö3 Nachtjournal 24.07.2011

Kratzer Markus (ORF)
Immer mehr Einzelheiten werden bekannt über den mutmaßlichen Täter von Oslo. Jahrelang hat der Mann offenbar an einem umfangreichen Manifest geschrieben, das er kurz vor der Tat per Mail an Freunde verschickt hat. Geholfen haben könnte ihm dabei auch Österreicher, berichtet Ö3-Reporter Paul Schiefer.

Schiefer Paul (ORF)
Neun Jahre lang habe er an diesem Projekt gearbeitet, schreibt der mutmaßliche Täter auf Englisch und unter einem englischen Pseudonym. In dem Manifest zeigt sich Anders Behring Breivik überzeugt, dass die, wie er sagt, islamische Kolonialisierung Europas aufgehalten werden müsse. Das funktioniere aber nur, wenn man zuerst die multikulturelle Politik in Europa entferne. Er habe zwar nichts gegen Muslime, könne sie in Europa aber nur akzeptieren, wenn sie sich zu 100 Prozent anpassen – ansonsten müssten sie deportiert werden. In dem Manifest bedankt sich Breivik auch bei Brüdern und Schwestern aus anderen Ländern für ihre Unterstützung – auch Österreich wird dabei genannt. Morgen wird der Attentäter vor Gericht seine Motive erklären – und zwar ohne Ausschluss der Öffentlichkeit, sagt sein Anwalt.

Ö1 Mittagsjournal : Reaktionen der rechten Parteien in Österreich, 25.07.2011

Krischke Susanne (ORF)
Klaus Ottomeyer, Leiter des Instituts für Psychologie der Alpen-Adria-Universität in Klagenfurt sieht eine Mitschuld der FPÖ an einer Radikalisierung in Österreich. Es sei nur peinlich, dass man das von außen hören müsse. Ottomeyer nennt als Beispiele unter anderen das Moschee-Baba-Spiel der FPÖ und diverse Comics.

Maiwald Andrea (ORF)
Die FPÖ ist eine jener Parteien, die den Boden bereiten für Rechtsextremismus und Gewalt, das sagt der Leiter des Instituts für Psychologie der Alpen-Adria-Universität in Klagenfurt. Der stellvertretende FPÖ-Chef Norbert Hofer distanziert sich von der Bluttat in Norwegen ohne näher auf den Vorwurf einzugehen.

Hofer Norbert (FPÖ) [sic!]
Es handelt sich bei den Opfern ja nicht in erster Linie um politische Funktionäre, sondern um Menschen, die hier zu Tode gekommen sind. Und ich würde sehr, sehr empfehlen, bevor man hier Aussagen trifft und sogar versucht, Politiker in Österreich dafür verantwortlich zu machen, auch durchzuatmen und klarzumachen, dass man sich immer gegen Gewalt, Extremismus, aber auch gegen Hass stark machen muss, weil Hass in der Politik immer ein sehr, sehr schlechter Ratgeber ist. Ich möchte auch nicht jetzt irgendjemanden angreifen, zurückschießen, sondern einfach aufrufen, dieses Massaker nicht zu nutzen, um politisches Kleingeld zu wechseln.

Katzinger Florian (ORF)
Passiert das gerade?

Hofer Norbert (FPÖ)
Ich habe den Eindruck, dass es ein bisschen passiert und das ist sehr, sehr schade, weil man das auf dem Rücken der Opfer nicht tun sollte. Dieses Massaker ist so unglaublich und so unvorstellbar, dass jeder gut beraten ist, einmal nachzudenken, was man tun kann, um Hass, Gewalt, Extremismus auch wirklich Einhalt gebieten zu können.

Maiwald Andrea (ORF)
Sagt Norbert Hofer, Vizeparteichef der FPÖ im Gespräch mit Florian Katzinger.

Krischke Susanne (ORF)
Im Zusammenhang mit den Vorwurf, auch die FPÖ würde den Nährboden für Extremismus schaffen, ruft Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) zum Verzicht auf sprachliche Gewalt auf [sic!]. Man müsse wachsam sein, Stimmungsmache trage dazu bei den Boden für Gewalt zu bereiten, sagte Spindelegger im Ö1-Interview [sic!]. Eine Koalition mit der FPÖ halte er sich offen, so Spindelegger.

Ö1 Morgenjournal vom 26.07.2011 : Lehre aus der Katastrophe?

Williwald Christian (ORF)
Schärfere Gesetze, mehr Möglichkeiten für die Polizei, das wünscht sich auch das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung nach den Attentaten von Norwegen. Ob das ein Weg ist solche Verbrechen zu verhindern, dass war gestern Abend hier auf Ö1 Thema im Journal Panorama. Sozialwissenschaftler sehen das Problem eher darin, dass seit Jahren Stimmung gemacht wird gegen Ausländer, gegen Muslime. Aus Sicht der Polizei wäre dagegen schon viel erreicht, das Internet strenger zu kontrollieren. Was sind die Lehren aus dem Massenmord von Norwegen? Peter Daser hat die Diskussion gestern Abend im Journal Panorama zusammen gefasst.

Daser Peter (ORF)
Der Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Peter Gridling sieht das Internet als mögliche Quelle für Terroristen und Attentäter wie jene in Norwegen. Täter können sich hier sowohl Ideologie sowie technische Anleitungen besorgen. Die derzeitigen Ermittlungsbefugnisse der Behörden hält er für unzureichend:

Gridling Peter (Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung)
Wir haben hier aufgezeigt, dass wir in den letzten Jahren einen Trend zu radikalisierten Einzelpersonen haben und wir im Nachhinein feststellen, dass sie zwar selbst Signale gesendet haben, sei es auf ihrem Facebook-Profil, sei es im Internet, aber diese Signale so schwach sind, dass sie nicht weiter verarbeitet werden, weil sie auch nicht weiter verarbeitet werden dürfen.

Daser Peter (ORF)
Sagt Gridling in der Sendung Ö1 Journal Panorama. Er fordert eine Erweiterung der Ermittlungsmöglichkeiten. Der Historiker Gerhard Botz wiederum sieht in der Stimmungsmache gegen Ausländer und gegen den Islam den politischen Nährboden für die Attentate.

Botz Gerhard (Universität Wien)
Diese radikal-fremdenfeindlichen, anti-islamistischen, antiislamischen Gruppierungen sind im Stande die Öffentlichkeit im Unterdrucksetzen der Massenparteien in ihrem Sinne zu beeinflussen, so dass dann ein Wettlauf um die Wähler entsteht und sich die Feindbilder, die Zielsetzungen in diese Richtung hin verschieben.

Daser Peter (ORF)
Der norwegische Friedensforscher Johan Galtung wiederum sagte, man dürfe den Hintergrund der Attentate nicht auf die Parteienlandschaft reduzieren:

Galtung Johan (Privat)
Es gibt hier eine europäische Strömung, es ist ernst, es kann sich verbreiten, es könnte in anderen Ländern eine gewisse, könnte man sagen, Nachahmung verbreiten. Ich habe Ängste.

Daser Peter (ORF)
Die norwegische Politologin und Journalistin Gudrun Garner betont jedenfalls, dass die Bevölkerung in Norwegen ihre gesellschaftliche Freiheit behalten wolle. In der Zeit im Bild 2 sagte Garner am Abend:

Garner Gudrun (Privat)
Man möchte frei sein, diese Gesellschaft, Freiheit und Demokratie, dass mit starkem Sicherheitssystem, das verabscheut man hier, also die Hoffnung der meisten Menschen ist, dass wir da raus kommen hier, aus dieser Katastrophe ohne dass da so etwas entsteht wie zum Beispiel in Amerika, nach dem großen Attentat in New York. Also, dass möchte man hier nicht haben, solche Zustände.

Daser Peter (ORF)
Die weitere Entwicklung, so die Politologin, sei hier aber nicht voraus zu sehen.

Ö1 Morgenjournal vom 26.07.2011: Interview mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner

Williwald Christian (ORF)
Offenheit und Demokratie, nicht Polizei und Überwachung – das muss aus der Sicht vieler Menschen in Norwegen die Antwort sein. Anders die Reaktion in anderen Ländern – auch in Österreich. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sieht in den Anschlägen den Anlass, einmal mehr ihr Anti-Terror-Paket zu fordern. Ob der Attentäter Anders Breivik Kontakte nach Österreich gehabt hat, das weiß die Polizei noch nicht. Breivik hat in seinem Manifest Österreich mehrfach erwähnt. Er schreibt von Brüdern und Schwestern in Österreich. Da fragt man sich, wer könnten die sein, wenn es sie wirklich gibt? Peter Daser hat Johanna Mikl-Leitner gefragt.

Daser Peter (ORF)
Frau Ministerin, gibt es neue Informationen darüber, ob der Attentäter von Oslo Kontakte nach Österreich gehabt hat?

Mikl-Leitner Johanna (ÖVP)
Es wurde seitens der Sicherheitsbehörde alles untersucht, was bisher vorliegt. Es sind ja einige Male ein Österreich-Bezug im Manifest zu finden. Das hat man bis dato angeschaut und konnte feststellen, dass also keine konkrete Bedrohung im Manifest enthalten ist. Aber wir stehen weiterhin im Kontakt mit den Sicherheitsbehörden.

Daser Peter (ORF)
Der mutmaßliche Täter hat ja in seinem Manifest von Brüdern und Schwestern in Österreich geschrieben. Ist da irgendetwas bekannt?

Mikl-Leitner Johanna (ÖVP)
Es wurden alle Kontakte nach Österreich überprüft. Derzeit konnte nichts gefunden werden, was eine Bedrohung darstellen würde.

Daser Peter (ORF)
Frau Ministerin, muss Österreich in irgendeiner Form auf die Attentate von Oslo reagieren?

Mikl-Leitner Johanna (ÖVP)
Nicht ausschließlich auf das Attentat von Oslo, sondern gerade die Vergangenheit hat uns gezeigt, dass wir hier eine Verschärfung brauchen in der Gesetzgebung. Deswegen auch unser Vorschlag seitens des Bundesministeriums für Inneres und dem Justizministerium, hier ein Anti-Terror-Paket zu schnüren, das aus ganz konkreten Maßnahmen besteht.

Daser Peter (ORF)
Da geht es im Sicherheitspolizeigesetz um die Möglichkeit, dass zum Beispiel Ermittler leicht an Informationen aus dem Ausland oder aus dem Internet kommen. Ist es das?

Mikl-Leitner Johanna (ÖVP)
Uns geht es vor allem darum, dass unsere Informationen seitens des Ministeriums und offene Informationen aus dem Internet mit Informationen der ausländischen Geheimdienste verschnitten werden können, damit hier eben strukturiert Informationen bewertet und beurteilt werden können, um rechtzeitig Gefahren abwenden zu können. Das heißt, nicht erst dann aktiv werden zu können, wenn bereits etwas passiert ist, sondern im Vorfeld eben Dinge, Attentate verhindern zu können.

Daser Peter (ORF)
Bis wann sollen die gesetzlichen Maßnahmen umgesetzt sein?

Mikl-Leitner Johanna (ÖVP)
Mein Ziel ist es, bis Ende des Jahres hier ein konkretes Gesetz vorlegen zu können in Abstimmung mit unserem Koalitionspartner, mit der SPÖ. Und ich glaube, gerade derartige Fälle müssen hier zum Nachdenken anregen.

Daser Peter (ORF)
Die norwegische Regierung hat ja jetzt gleich nach den Attentaten mehrfach betont, dass sie nicht die Gesetze verschärfen wollen. Warum soll denn das in Österreich dann was bringen?

Mikl-Leitner Johanna (ÖVP)
Wir haben hier ein ganz klares Vorbild, nämlich Deutschland, die ein sehr gutes Terrorpaket verabschiedet haben, seit Jahren in Verwendung haben. Das zeigt, dass sich dieses Gesetz bewährt. Und unser Vorbild ist hier ganz klar Deutschland.

Daser Peter (ORF)
Fachleute für Rechtsextremismus sagen ja jetzt im Zuge dieser ganzen Debatte, dass solche Verbrechen begünstigt werden durch Stimmungsmache – gegen Ausländer und gegen den Islam.

Mikl-Leitner Johanna (ÖVP)
Auch hier gibt es einen konkreten Punkt im Anti-Terror-Paket, dass eben nicht durch terroristische Straftaten unter Strafe gestellt werden, sondern dass bereits eine Anleitung zur Begehung einer terroristischen Straftat beziehungsweise das Auffordern, beziehungsweise das Gutheißen zu einer terroristischen Straftat auch unter Strafe gestellt werden soll, damit wir hier auch gegen Verhetzung und Hassprediger etwas unternehmen können. Das heißt, das ist auch ein ganz entscheidender, wesentlicher Punkt im Anti-Terror-Paket.

Williwald Christian (ORF)
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner im Morgenjournal-Interview. Der Reflex, nach schärferen Gesetzen zu rufen, ist in Österreich also stärker als in Norwegen selbst.

Ö3 Mittagsjournal, 26.07.2011: Legislative Maßnahmen

Mieses Silvia (ORF)
Innenministerin Mikl-Leitner fordert also mehr Zugriffsmöglichkeiten für die Behörden bei Internetdaten und sie will, dass schon bei Aufforderung zu Terroranschlägen Gefängnisstrafen drohen sollen. ÖVP-Chef Vizekanzler Michael Spindelegger steht voll hinter den Plänen seiner Ministerin, die SPÖ ist aber noch nicht restlos überzeugt. Vom Sommerministerrat im Bundeskanzleramt meldet sich Ö3-Reporter Wolfgang Werth:

Werth Wolfgang (ORF)
Es muss etwas geschehen, sagen Kanzler Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Spindelegger (ÖVP) unisono, dabei sind Gesetzesänderungen nicht ausgeschlossen. Spindelegger sagt es ganz deutlich:

Spindelegger Michael (ÖVP)
Das liegt im Parlament, dort gehört es auch, aus meiner Sicht ausdiskutiert.

Werth Wolfgang (ORF)
Faymann sagt es etwas verklausurlierter, er erwähnt eine Gesetzesänderung als eine von mehreren Möglichkeiten, wie etwa auch bessere internationale Zusammenarbeit.

Faymann Werner (SPÖ)
Das sind sicher nicht nur gesetzliche Bestimmungen, das sind sicher auch andere Möglichkeiten, die der Polizei in der Internationalen Verbrechensbekämpfung zur Verfügung stehen müssen, Ressourcen einfach, um ihre Aufgabe entscheidend wahrnehmen zu können.

Werth Wolfgang (ORF)
Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) ließ sich auf Journalistennachfrage noch ein Detail entlocken. Sie ist der Meinung, dass der Strafrahmen für das Anleiten zu terroristischen Straftaten zwei Jahren Gefängnis sein sollte.

Mieses Silvia (ORF)
Die Regierungsparteien sind also beide für Maßnahmen in Österreich nach den Anschlägen in Norwegen.

Mieses Silvia (ORF)
Maximal 21 Jahre Haft drohen dem 32jährigen norwegischen Attentäter Anders Behring Breivik nach dem Terrorparagraphen. Zuwenig finden viele, die norwegische Justiz überlegt jetzt den Mann wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzuklagen, in diesem Fall könnten ihm bis zu 30 Jahre Haft drohen. Schärfere Gesetze oder Kontrollen werden in Norwegen aber derzeit nicht gefordert, Ministerpräsident Jens Stoltenberg sagte, „unsere Antwort auf den Terror muss mehr Demokratie und mehr Offenheit sein“. Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner von der ÖVP will sich diese Haltung aber offenbar nicht zum Vorbild nehmen, sie hält das von ihr geplante Antiterrorpaket jetzt für notwendiger denn je.

Mikl-Leitner Johanna (ÖVP)
Gerade die Vergangenheit hat und gezeigt, dass wir hier eine Verschärfung brauchen in der Gesetzgebung, deswegen auch unser Vorschlag seitens des Bundesministeriums für Inneres und dem Justizministerium, hier ein Anti-Terrorpaket zu schnüren.

Daser Peter (ORF)
Die norwegische Regierung hat ja jetzt gleich nach den Attentaten mehrfach betont, dass sie nicht die Gesetze verschärfen wollen. Warum soll denn das dann in Österreich etwas bringen?

Mikl-Leitner Johanna (ÖVP)
wir haben hier ein ganz klares Vorbild, nämlich Deutschland, die ein sehr gutes Terrorpaket verabschiedet haben, seit Jahre in Verwendung haben, das zeigt, dass sich dieses Gesetz bewährt und unser Vorbild ist hier ganz klar Deutschland.

Mieses Silvia (ORF)
Das Vorbild ist also nicht Norwegen sondern Deutschland, sagt Innenministerin Mikl-Leitner im Interview mit Ö3-Reporter Peter Daser.