malmoe „Frauen im Widerstandskampf“

02.04.2011

Frauen im Widerstandskampf

Ein Interview anlässlich von „100 Jahre Frauenkampftag“ mit Lotte Brainin

Lotte Brainin entschied sich in der Beantwortung der Fragen zum 8. März, nicht den Frauenkampftag als solchen, sondern die spezifische Geschichte der Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu betonen.

Der Internationale Frauentag ist für mich ein Anlass, auf die wichtige Rolle der Frauen im Widerstandskampf gegen das nationalsozialistische Terrorregime hinzuweisen, der auch schwerste Opfer gekostet hat. Dazu möchte ich von den vier Heldinnen in Auschwitz berichten, die den Schmuggel von Sprengpulver aus der Munitionsfabrik „Weichsel-Metall-Union“ durchführten und zu den Männern des Sonderkommandos bei den Krematorien in Auschwitz-Birkenau brachten. Auch ich war zur Zwangsarbeit in dieser Fabrik eingeteilt. Am 6. Jänner 1945 hieß es nach dem Abendappell und vor dem Einrücken zur Nachtschicht „Alle antreten!“ Wir mussten mit ansehen, wie Alla Gärtner und Regina Saphirstein von den SS-Leuten erhängt wurden. Nach der Rückkehr der Tagesschicht musste auch diese zum Appell antreten und zusehen, wie Rosa Robota und Esther Weissblum ebenfalls am Galgen von den SS-Leuten ermordet wurden. Wenige Tage vor der Flucht der SS-Wachmannschaften vor den heranrückenden sowjetischen Soldaten und der Auflösung des Nazikonzentrationslagers Auschwitz-Birkenau rächte sich die SS an den vier Heldinnen, die durch ihren Mut und ihre Geschicklichkeit den Aufstand des Sonderkommandos ermöglicht hatten.

Monate hindurch hatten die Mädchen Sprengstoff aus der Pulverkammer der Fabrik – eine von vielen Fabriken, die von der deutschen Kriegsindustrie hier errichtet worden waren – in kleinsten Mengen und unter Mithilfe der dort als Zwangsarbeiterinnen beschäftigten Frauen und Mädchen herausgeschmuggelt. Der Sprengstoff ging in kleinen Päckchen durch viele Hände und wurde, versteckt in den Knoten der Kopftücher und auf andere Weise, befördert. Der Sprengstoff gelangte in die Kleiderkammer, wo Rosa Robota arbeitete. Von dort wurden die winzigen kleinen Mengen Sprengpulver zu den Männern des Sonderkommandos weitergereicht, die daraus Sprengkörper herstellten.

Das Netz dieser jüdischen Widerstandsgruppe spannte sich von der Munitionsfabrik bis zum Sonderkommando, das bei den Krematorien arbeitete. Mit ihrem Aufstand, der auch ihnen das Leben kosten würde, wollten die Männer die Krematorien zerstören, um das weitere Massenmorden zu unterbinden. Der Aufstand und die Sprengung eines Krematoriums in Birkenau durch die Häftlinge des Sonderkommandos war durch die Handlungen der vier Mädchen, gemeinsam mit anderen, ermöglicht worden Die vier Heldinnen, die ihr Leben eingesetzt hatten, um andere vor dem Tod zu bewahren, mussten sterben.

Bio
Lotte Brainin, geboren 1920 in Wien, flüchtete 1938 vor den Nazis nach Belgien und schloss sich der dort tätigen österreichischen Widerstandsgruppe an. 1943 geriet sie in eine siebenmonatige Gestapohaft, im Jänner 1944 wurde sie nach Auschwitz-Birkenau deportiert, im Jänner 1945 ins KZ Ravensbrück. Seit der Gründung 1947 ist sie in der Österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück aktiv.

Quelle: malmoe.org