Kommentare zu Profil-Artikel „Löhne: Die Wahrheit über die Ungleichheit“
Ulli Weish dazu im Club 2 Mythos Einkommensschere – ein schlechter Scherz?
Profil-Artikel „Löhne: Die Wahrheit über die Ungleichheit“
<strong>Profil „Wir Frustrierten“
Geschlechter_debatten_kultur
von Mag.a Brigitte Theissl
Eigentlich wollte ich gar keinen Text zum aktuellen Profil-Aufreger schreiben. Denn dass Gernot Bauer und Robert Treichler eine ernsthafte Diskussion über Lohnungleichheiten zwischen Männern und Frauen führen wollen, das kaufe ich ihnen nicht ab. Wäre das ihre Absicht gewesen, so hätten sie wohl nicht Studien, die seit Jahren auf dem Tisch liegen, als sensationelle Enthüllung verkauft, nicht so einseitig recherchiert/zitiert und – was hier wohl am meisten von Bedeutung ist – ihren Text nicht als polemischen Rundumschlag gegen Frauenpolitik und Feminismus angelegt.
Ja, welche Zahlen in welchen Slogans verwendet werden, darüber kann mensch diskutieren. Die Bewusstseinsarbeit zum “Gender Pay Gap” zählt klar zu den Erfolgen frauenpolitischer Lobbyarbeit: Dass Frauen und Männer gleich viel für gleichwertige Arbeit verdienen sollen und es ungerecht ist, wenn Frauen dafür weniger Geld bekommen, darüber herrscht ein (zumindest öffentlich zelebrierter) Konsens quer durch alle Lager. Dass Interessensvertretungen eher Zahlen/Studien/Umfragen verwenden, die ihrem Zweck dienen, sollte auch hinlänglich bekannt sein. Und trotz der erfolgreichen Öffentlichkeitsarbeit hat sich realpolitisch wenig getan: Eine zaghafte (wenn auch vermutlich hart erkämpfte) Regelung zu einer Offenlegung von Gehältern soll ein erster Schritt in Richtung mehr Einkommensgerechtigkeit in Österreich sein.
Den “Fakten” im Profil-Artikel muss ich mich an dieser Stelle gar nicht widmen. Genügend intelligente Frauen haben bereits Zeit in Texte investiert, die über diverse Achsen der Ungleichheit und Ungerechtigkeit aufklären (hier, hier, hier und hier). Wieder einmal müssen Feministinnen als sachkundige Lehrerinnen auftreten, die er- und aufklären – weil mensch manches einfach nicht so stehen lassen kann.
Am 4. Februar 2008 titelte das Profil noch: “Die betrogene Frau. Die Einkommensunterschiede zwischen Mann und Frau werden größer, die Karrierechancen schlechter. Nur in Österreich. Was läuft anders als im Rest Europas?” Vier Jahre später ist man(n) in der Profil-Redaktion offenbar klüger geworden. Stimmt alles nicht. Doch nicht. Und deshalb ist jetzt von “Mythen” die Rede, von einer “Folklore” und dem “ewigen Opfer Frau”. Diese Sprache ist mir aus dem männerrechtlichen Kontext bekannt (wo der Artikel gerade abgefeiert wird). Und hier sind wir an dem Punkt angekommen, an dem ich beginne, mir Sorgen um die mediale (!) Gechlechterdebatte zu machen.
Denn männerrechtliche Positionen wurden in den vergangenen Jahren in den Massenmedien mehrfach prominent platziert. Sie sind im Spiegel zu finden, in der FAZ, der Zeit und immer öfter im Profil (was unter anderem an Chefredakteur Christian Rainer liegen könnte). Auch im Standard durfte Walter Hollstein zum 100. Internationalen Frauentag seine Thesen über kranke und kriminelle Kinder von Alleinerzieherinnen ausbreiten. Mehr…
Im Patriarchat nichts Neues
von Mag.a Hilde Grammel
Die Medienlandschaft in Österreich ist extrem geschlechterunsensibel – das darf als bekannt vorausgesetzt werden. Auch profil ist da keine Ausnahme: Einzig und allein das Heft vor dem Internationalen Frauentag war, was Inhalte und AutorInnen anbelangt, auch für feministische Leserinnen ansprechend. Ansonsten wird frau schon auf Seite 3 das ganze Jahr über in fast jedem profil von einer Riege männlicher Schreiber begrüßt, die ihre Meinungen zum Besten geben dürfen, außer Elfriede Hammerl hat eine Kolumne. Insgesamt ist die Ausgewogenheit nach Geschlechtern nicht gegeben, sodass der weibliche Blick auf die Welt bzw. die Protagonistinnen in derselben, unterrepräsentiert sind. Eine Erkenntnis, die eigentlich nicht neu ist und auch jedem Mann auffallen müsste, der mit offenen Augen durch die Welt geht.
Auch die Berichterstattung im aktuellen profil lässt in dieser Hinsicht zu wünschen übrig: Die Autoren haben scheinbar nicht verstanden, dass Frauen schon lange den gängigen Arbeitsbegriff und die gängige Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern kritisieren und dass Frauen auch weniger systemimmanent denken. Dass Arbeit nicht nur ist, was bezahlt wird, ist jeder Frau klar. Und auch, dass dem nicht so sein sollte. Männer hinterfragen den herr-schenden Arbeitsbegriff (eben aufgrund der Tatsache, dass sie anders leben) so gut wie gar nicht, wofür die Titelstory des letzten profil beredt Zeugnis ablegt. Und dass Mädchen noch immer unter den drei am schlechtesten bezahlten Lehrberufen wählen, ist auch ein Faktum, das mit dem Verständnis der Geschlechterrollen und den Zuschreibungen an Frauen zu tun hat. Aufgrund der bestehenden eklatanten Diskriminierungen – und der Diskriminierungsbegriff wird hier als ein struktureller und nicht als ein bloß formaler verstanden –, gerade jene wenigen Instrumentarien lächerlich zu machen und als unglaubwürdig darzustellen, die der Frauenpolitik zur Verfügung stehen, um auf diese hinzuweisen (wie den Equal Pay Day und Kampagnen der Frauenministerin gegen Teilzeitarbeit), ist genau Ausdruck des genannten Bias. Wenn die Maßnahmen der Frauenpolitik schon kritisiert werden, dann bitte doch dafür, dass sie mit neoliberalen Elementen des Qualitätsmanagements (wie Offenlegung der Gehälter in Unternehmen) hantieren müssen, die die strukturell eingebaute Lohndiskriminierung nicht annähernd zu erfassen vermögen. Die Lohnschere ergibt sich ja nicht (nur) aus der Nichterfüllung der Forderung „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!“, sondern aus der eh schon immer vorhandenen Unter- und Nichtbewertung von Frauenarbeit in einem von Männern gemachten Wirtschaftsmodell. Eine Zeitschrift wie profil sollte wissen, wo es in diesen Auseinandersetzungen steht. Und sie sollte darauf achten, dass nicht unüberprüft und unkritisch maskulinistische Positionen veröffentlicht werden.
Aber vielleicht reden wir ja weiter, wenn Männer selbstverständlich Unterbrechungen der Berufslaufbahn in Kauf nehmen, um 7 Jahre lang bei ihren Kindern zu bleiben und in Folge dessen mit durchschnittlich 39% geringeren Pensionen zufrieden sind, wenn hauptsächlich männliche Schulabgänger Friseure, Sekretäre und Verkäufer werden und wenn in österreichischen Medien Frauen 50% der JournalistInnen ausmachen. Das wäre dann der Tag, an dem Männer finden, dass unbezahlt arbeiten glücklich macht, von einer Frau abhängig zu sein die Erfüllung darstellt und die eigenen Bedürfnisse hintan stellen der Quell von Lebensfreude ist. Es wäre dann auch der Tag, an dem Frauen ständig über sich selbst reden und Männer nur vereinzelt um ihren Kommentar gebeten werden.