Hohes Haus – Geschlechtsspezifische Segregation d. Arbeitsmarktes
Hohes Haus vom 04.03.2012
Pawlicki Patrizia (ORF)
Und zu Gast bei mir im Studio ist jetzt die Unternehmensberaterin und geschäftsführende Gesellschafterin von Deloitte, Doktor Gundi Wentner, herzlich Willkommen.
Wentner Gundi (Deloitte – Institut für Unternehmensberatung Gesellschaft m.b.H)
Danke. Guten Tag.
Pawlicki Patrizia (ORF)
Frau Wentner, wir haben es jetzt gerade gehört im Beitrag, das letzte Interview, war der Appell: traut euch Frauen aufzunehmen, Unternehmer. Wie schaut denn die Realität tatsächlich aus?
Wentner Gundi (Deloitte – Institut für Unternehmensberatung Gesellschaft m.b.H)
Ich denke dass viele Unternehmen in Österreich sehr viele Frauen aufnehmen. Es gibt ja auch sehr viele Branchen, in denen die Mehrzahl der MitarbeiterInnen Frauen sind. Wenn wir aber in die Führungsetagen schauen, dann ist die Situation ganz anders und da trauen sich viele Unternehmen, Frauen nicht zu befördern, aber durchaus auch Frauen nicht von außen aufzunehmen und in eine Führungsposition zu holen.
Pawlicki Patrizia (ORF)
Wenn man die Einkommensschere anschaut, dann kommt einem ja auch – gerade ein paar Tage vorm Frauentag – das Gruseln. Auf welcher Stelle steht denn da jetzt Österreich in der EU in Bezug auf Differenz, das die Einkommen betrifft zwischen Mann und Frau?
Wentner Gundi (Deloitte – Institut für Unternehmensberatung Gesellschaft m.b.H)
Also in der EU sind wir unter dem EU-weiten Durchschnitt, in Österreich ist der Durchschnitt ungefähr 25 Prozent Differenz, in der EU zwischen 17 und, und 20 Prozent, aber wir sind in der Gender Gap-Untersuchung des World Economic Forum, das ja jedes Jahr veröffentlicht wird an 117ter Stelle. Das ist wirklich beschämend und insgesamt, was also die Benachteiligung von Frauen oder die, oder umgekehrt, sozusagen die Einbeziehung von Frauen betrifft an 34ster Stelle.
Pawlicki Patrizia (ORF)
Das heißt, eigentlich kann man es salopp formulieren, dass in Sachen Frauen und Frauen in Vorstandsetagen Österreich eigentlich wirklich ein Entwicklungsland ist?
Wentner Gundi (Deloitte – Institut für Unternehmensberatung Gesellschaft m.b.H)
Also in Sachen Frauen in Vorstandsetagen sind wir wirklich ein Entwicklungsland, da hat sich auch in den letzten 20 Jahren überhaupt nichts geändert. Das kann man auch den Frauenberichten entnehmen. Ja, also da sind wir ganz weit hinten.
Pawlicki Patrizia (ORF)
Jetzt sind sie ja spezialisiert als Gesellschafterin und Geschäftsführerin bei Deloitte gerade in diesem Bereich, Bereich Führungskräfteauswahl, Bereich Genderforschung auch, vor allem in der öffentlichen Wirtschaft. Jetzt sagen Sie, 20 Jahre ist da im Grunde nichts weiter gegangen. Wie kann denn das überhaupt sein, fragt man sich, dass so, über so lange Zeit immer nur geredet wird, auch vielleicht scheinheilig diskutiert wird um den Frauentag herum und dann nichts passiert?
Wentner Gundi (Deloitte – Institut für Unternehmensberatung Gesellschaft m.b.H)
Man muss das differenzieren. Also, gerade im öffentlichen Sektor ist ja sehr viel weiter gegangen, da gibt es auch die geringsten Differenzen. Also es gibt erstens einmal eine viel höhere…
Pawlicki Patrizia (ORF)
Was das Einkommen betrifft, ja.
Wentner Gundi (Deloitte – Institut für Unternehmensberatung Gesellschaft m.b.H)
Also, es gibt die geringsten Differenzen im Einkommen, also das ist fast Null und es gibt auch eine wesentlich höhere Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen. Das zeigt, dass überall dort, wo darauf geachtet wird, wo es Gesetze gibt, an die man sich auch zu halten hat, Frauen Chancen haben.
Pawlicki Patrizia (ORF)
Aber wenn ich Sie da jetzt unterbrechen darf, wenn Sie sagen öffentlicher Sektor, da ist es viel besser. Da habe ich jetzt sofort das Bild, ja okay wundert mich nicht, weil es gibt zum Beispiel wahnsinnig viele Richterinnen, wenn ich mir aber zum Beispiel anschaue wie viele Rektorinnen es in Österreich gibt, dann ist schon wieder, ja kaum jemand zu finden.
Wentner Gundi (Deloitte – Institut für Unternehmensberatung Gesellschaft m.b.H)
Das stimmt, ja, wobei die Universitäten schon wieder ein bisschen weiter weg sozusagen von der Regulierung sind und also wenn ich sage öffentlicher Sektor, meine ich wirklich die öffentliche Verwaltung.
Pawlicki Patrizia (ORF)
Was würden Sie denn, wenn Sie jetzt die Möglichkeit hätten, angenommen, es kommt das Regierungsteam zu Ihnen und sagt, „Frau Doktor Wentner, wir haben Sie jetzt im Zuge des Frauentags wieder gehört und das ist alles so interessant. Wir hätten gerne drei Punkte, die wir unbedingt umsetzen müssen in den nächsten zwölf Monaten“. Was würden Sie denn da vorschlagen?
Wentner Gundi (Deloitte – Institut für Unternehmensberatung Gesellschaft m.b.H)
Ich denke, dass in Österreich immer noch die Rahmenbedingungen, Berufstätigkeit von Frauen und damit auch, nämlich Vollzeit-Berufstätigkeit von Frauen und damit auch Frauenkarriere wirklich behindern.
Pawlicki Patrizia (ORF)
Rahmenbedingungen heißt Schule, oder heißt Kinderbetreuung?
Wentner Gundi (Deloitte – Institut für Unternehmensberatung Gesellschaft m.b.H)
Für mich heißt es primär Schule, natürlich auch Kleinkindbetreuung, das ist aber das Thema, worüber ja am meisten geredet wird und wo wir zumindest im städtischen Bereich auch schon gute Ganztagslösungen haben. Schule, Regelschule in Österreich ist Halbtag und wenn sie als Eltern möchten, dass ihr Kind die Matura macht, dann kann ein Elternteil nur Teilzeit berufstätig sein und das ist halt meistens die Frau, weil eben in Österreich aufgrund sehr traditioneller Rollenmodelle und einer sehr konservativen Haltung auch die unbezahlte Arbeit in der Gesellschaft einfach bei den Frauen liegt.
Pawlicki Patrizia (ORF)
Das heißt, erster Punkt, es muss die Ganztagsschule her. Wir haben gesagt, wir haben drei Punkte frei, die Regierung will von Ihnen drei Punkte – angenommen – wissen. Was sind die anderen beiden Punkte?
Wentner Gundi (Deloitte – Institut für Unternehmensberatung Gesellschaft m.b.H)
Zweiter Punkt: Ich würde sehr radikal Unternehmen, die nicht ganz klar Frauenförderprogramme oder Programme vorweisen können, die also zur Verminderung oder ja, der Frauendiskriminierung führen, die auch keine Frauen in Führungspositionen haben, keine öffentlichen Förderungen mehr geben und auch keine öffentlichen Aufträge.
Pawlicki Patrizia (ORF)
Sehr gut, also keine öffentlichen Aufträge, keine Förderungen mehr für Unternehmen, die nicht Frauen paritätisch besetzen in den Vorstand und einmal die Ganztagsschule, also, ja, die Ganztagsschule. Dritter Punkt, letzter Punkt. Was ist noch wichtig?
Wentner Gundi (Deloitte – Institut für Unternehmensberatung Gesellschaft m.b.H)
Letzter Punkt: Ich würde Einkommensdiskriminierung wirklich mit echt spürbaren, harten Strafen
Pawlicki Patrizia (ORF)
Was wäre eine spürbare, echte Strafe? Wie hoch muss die Strafe sein, dass ein namhaftes Unternehmen sagt, „Na, das wollen wir uns wirklich nicht leisten“, abgesehen davon, vom schlechten Image in der Öffentlichkeit?
Wentner Gundi (Deloitte – Institut für Unternehmensberatung Gesellschaft m.b.H)
Das wird wahrscheinlich von der Unternehmensgröße abhängen und so könnte man das ja vielleicht auch, auch staffeln.
Pawlicki Patrizia (ORF)
All diese Punkte, die Sie jetzt genannt haben, haben natürlich in mir gleich das Wort Zwang, Zwang, Zwang, das heißt ohne Zwang wird es nicht gehen, wachgerufen und da denkt man sofort nach Norwegen, dort gibt es ja dieses Gesetz, dass Frauen in die Aufsichtsräte müssen, Halbe Halbe, das hat auch gut gewirkt. Heißt das, wir brauchen in Wirklichkeit auch ein Gesetz, nicht nur für Frauen in die Aufsichtsräte, sondern auch Frauen, eben 50 Prozent Frauen in Vorstände zumindest. Das kann man ja einem privaten Unternehmen schwer vorschreiben, aber in allen Unternehmen, die staatsnahe sind, die dem Staat gehören?
Wentner Gundi (Deloitte – Institut für Unternehmensberatung Gesellschaft m.b.H)
Ja, also das glaube ich. Und ich glaube auch, dass es eine Aufgabe der Politik ist, Rahmenbedingungen zu schaffen, die ja dann auch wieder Bewusstsein schaffen. Also es ist ja ganz klar beobachtbar, dass überall dort, wo es einfach auch gesetzliche Maßnahmen gibt, Strafen gibt, sich die Situation relativ rasch verändert.
Pawlicki Patrizia (ORF)
Wir haben ja ein Vorgespräch geführt zu unserem jetzigen Interview, gerade eben. Und da haben sie ein herrliches Zitat gesagt. Sie haben gesagt, das Problem ist auch, es gibt immer wieder noch immer dieses Vorurteil, selbst von Frauen auch vor sich hergetragen: Wenn du Karriere machst, dann bist du keine weibliche Frau mehr. Was kann man denn dagegen tun?
Wentner Gundi (Deloitte – Institut für Unternehmensberatung Gesellschaft m.b.H)
Das ist wirklich eine Frage der Bewusstseinsbildung und auch eine Frage der Rollenmodelle. Also wir haben in Österreich einfach zu wenig gezeigte, positive Rollenmodelle. Und während es für Männer ja, also da gibt es ja auch einen gesellschaftlichen Druck für Männer, Karriere zu machen, deswegen trauen sich das dann Männer ja auch mehr zu, weil sie auch das Gefühl haben, sie müssen. Und für Frauen gibt es einfach den umgekehrten Druck, weil in Österreich sehr viele Menschen, Männer und Frauen…
Pawlicki Patrizia (ORF)
Spüren Sie den persönlich auch? Weil Sie sind ja eine sehr erfolgreiche Frau, Sie sind, man könnte sagen, ja, Sie haben es geschafft. Spüren Sie diesen Druck? Sie haben auch eine Tochter, spüren Sie persönlich, werden Sie mit diesem Vorurteil, „Ja, Karrierefrau kümmert sich vielleicht nicht genug um die Familie“ konfrontiert persönlich?
Wentner Gundi (Deloitte – Institut für Unternehmensberatung Gesellschaft m.b.H)
Natürlich habe ich da schon sehr lustige Bemerkungen gehört, wie zum Beispiel „Na, du kannst ja deiner Mutterrolle sowieso nicht gerecht werden.“ Was wirklich eine Anmaßung ist von Menschen, die einen gar nicht so gut kennen und vielleicht nur beruflich kennen.
Pawlicki Patrizia (ORF)
Was haben Sie da persönlich gemacht, dass Sie nicht in den Bereich der Körperverletzung gekommen sind um sich zu wehren?
Wentner Gundi (Deloitte – Institut für Unternehmensberatung Gesellschaft m.b.H)
Ich habe es weggeatmet.
Pawlicki Patrizia (ORF)
Weggeatmet. Ich hätte noch eine letzte Frage zum Thema Frauentag jetzt. Was sollen wir mit dem Frauentag machen, gerade als Frauen, die Ernst genommen werden wollen? Sollen wir den belassen, ist das gut? Ist das eine gute Möglichkeit, soll das irgendwann lächerlich sein, muss man das letztlich einmal als Erfolg bezeichnen, wenn man den Frauentag abschaffen kann?
Wentner Gundi (Deloitte – Institut für Unternehmensberatung Gesellschaft m.b.H)
Also den Frauentag abzuschaffen, abschaffen zu können wäre ein wahnsinniger Erfolg. Ich befürchte, Sie und ich, wir werden es nicht mehr erleben und bis dahin muss man ihn belassen und einfach die Gelegenheit nutzen über die Themen, die ja ganz wichtige gesellschaftliche Themen sind, zu reden.
Pawlicki Patrizia (ORF)
Eine letzte Frage hätte ich noch an Sie. Jetzt haben wir gehört, im öffentlichen Bereich, haben Sie gesagt, ist es besser, was die Gleichberechtigung betrifft am Arbeitsplatz. Um das jetzt noch auf der anderen Seite sich die Skala anzuschauen: In welcher Branche, in welchem Bereich ist besonders viel Handlungsbedarf ganz schnell erforderlich?
Wentner Gundi (Deloitte – Institut für Unternehmensberatung Gesellschaft m.b.H)
In allen.
Pawlicki Patrizia (ORF)
In allen, ja. Dann bedanke ich mich ganz herzlich für Ihr Gespräch.
Wentner Gundi (Deloitte – Institut für Unternehmensberatung Gesellschaft m.b.H)
Danke sehr.
Pawlicki Patrizia (ORF)
Und wir hoffen, dass wir nicht mehr viele Frauentage feiern müssen. Danke schön, danke.