ORF Hohes Haus : 15 Jahre Wegweisungsrecht
Pawlicki Patricia (ORF)
In den eigenen vier Wänden lebt es sich oft gefährlicher als man ahnt. Meist ist es Gewalt gegen Frauen, nicht selten vor den Augen der gemeinsamen Kinder. Seit 15 Jahren gibt es in Österreich das Gewaltschutzgesetz, dass es ermöglicht Täter- meist sind es eben Ehemänner oder Lebensgefährten- von der Wohnung wegzuweisen. Dieses Wegweisungsrecht hat sich zu einer wirksamen Maßnahme entwickelt. Österreich war mit diesem Gesetz Vorreiter, zahlreiche europäische Länder haben seither ähnliche Gesetze eingeführt. Nach 15 Jahren Gewaltschutzgesetz haben jetzt im Parlament Politikerinnen und Expertinnen Bilanz gezogen. Dagmar Wohlfahrt berichtet-
Wohlfahrt Dagmar (ORF)
Wählt man in Wien die Telefonnummer 133 wird man hierher in die Notrufzentrale verbunden. Rund um die Uhr werden die Anrufe entgegen genommen und anschließend die Einsatzkräfte alarmiert. Seit nunmehr fünfzehn Jahren darf die Exekutive auch wirksam einschreiten wenn die Gewalt in der Familie, also hinter verschlossenen Türen stattfindet. Beim Einsatz „Mann schlägt Frau“ wird meist folgender Maßen vorgegangen:
Warisch Petra (Polizei)
Wenn wir in der Wohnung drinnen sind wird zuerst einmal das Gefahrenpotential erhoben: das heißt man schaut einmal nach, ist etwas kaputt gegangen in der Wohnung, sind Kinder vorhanden, machen die Kinder einen verschreckten Eindruck? Die Geschädigte wird von einer Frau befragt, der Gefährder, meist ist es der Mann, von einem Kollegen und wenn Gründe für ein Betretungsverbot vorliegen und für eine Wegweisung, wird von den Kollegen eine Wegweisung mit Betretungsverbot ausgesprochen. Das heißt der Gefährder verlässt dann im Beisein der Polizei die Wohnung. Das funktioniert meist ohne Probleme, doch hin und wieder sträubt er sich, dann muss man ihm versuchen zu erklären, dass für einige Tage einen anderen Wohnsitz suchen muss.
Wohlfahrt Dagmar (ORF)
Das Betretungsverbot gilt bis zu zwei Wochen und kann vom Bezirksgericht verlängert werden. In Wien wurden im Vorjahr 3000 Betretungsverbote verhängt. Durch eine einstweilige Verfügung kann der Täter auch wesentlich länger von der Wohnung fern gehalten werden. Das Gewaltschutzgesetz hat zu einem Paradigmenwechsel geführt: nicht mehr das Opfer von häuslicher Gewalt muss die Wohnung verlassen, sondern der Täter.
Mikl-Leitner Johanna (ÖVP)
Ich glaube gerade das Gewaltschutzgesetz hat hier sehr Gutes gebracht, weil letztendlich das ein ganz klares Bekenntnis des Staates war, hier eben Gewalt zu bekämpfen, das heißt Gewalt ist keine Privatsache, sondern ist Sache des Staates hier anzukämpfen.
Wohlfahrt Dagmar (ORF)
Wird häusliche Gewalt amtsbekannt informiert die Polizei die Interventionsstellen gegen Gewalt in der Familie. Diese wenden sich dann direkt an die Opfer. Allein im Vorjahr wurden hier über 6000 Personen betreut, österreichweit wandten sich fast 15000 Personen an die Gewaltschutzzentren, wie diese Einrichtungen in den Bundesländern heißen. Zu fast 90 Prozent sind Opfer von Gewalt in der Familie Frauen. Hier steht an erster Stelle Krisenintervention und rechtliche Unterstützung. Wenn es infolge zu einer Gerichtsverhandlung kommt, bieten die Gewaltschutzzentren auch Prozessbegleitung an. während die Mütter von fachkundigen Spezialistinnen betreut werden, gibt es für Kinder diese Hilfe nicht. Allein in Wien waren im Vorjahr 3900 Kinder von der Gewalt in der Familie betroffen. Für die Kinder gibt es in den Gewaltschutzzentren zwar Spielsachen, aber keine kindgerechte Betreuung.
Logar Rosa (Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie)
In Wien zum Beispiel bekommen wir 4000 Meldungen der Polizei im Jahr und da sind ungefähr 3900 Kinder und Jugendliche indirekt betroffen, von dieser Gewalt. Die sehen das, die hören das, die hören Drohungen, die sehen die Verletzungen, die Auswirkungen, die leben in Angst. Diese Kinder brauchen eine eigenständige Hilfe, sie brauchen so etwas wie einen Schutzengel, eine Person an ihrer Seite, die sie begleitet und unterstützt. Das haben wir jetzt nicht, es fehlen uns hier die Ressourcen.
Wohlfahrt Dagmar (ORF)
Rosa Logar, die Leiterin der Interventionsstelle war eine der Initiatorinnen des Gewaltschutzgesetzes. Tenor der Expertinnen und Politikerinnen im Parlament: das Gesetz hat sich bewährt, aber es gibt Nachbesserungsbedarf. Neben der Kinderbetreuung auch beim Schutz besonders gefährdeter Opfer. Bei wiederholter Gewalt wäre eine bessere Vernetzung von Polizei, Krankenhäusern und Hilfseinrichtungen notwendig.
Logar Rosa (Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie)
Wir wissen dass in der Familie immer wieder Personen, auch Kinder zu Schaden kommen, dass sie sterben an der Gewalt, dass sie zu Tode misshandelt werden und wenn man sich dann nachher anschaut, dann sieht man viele Institutionen haben eigentlich gewusst dass es hier Probleme gibt, aber sie haben nicht, die Informationen nicht genügend ausgetauscht, sie haben nicht genügend zusammen gearbeitet, nicht. Das Spital hat die schrecklichen Fotos der Kindesmisshandlung, darf das aber nicht an andere weiter geben und das wollen wir verändern.
Wohlfahrt Dagmar (ORF)
Sieben von zehn Morden werden im familiären Umfeld verübt. Prävention von Gewalttaten, das ist die wichtigste Intention der Gewaltschutzgesetze. Das fängt mit einem eigenen Einkommen und der damit verbundenen Unabhängigkeit der Frauen an. Migrantinnen die im Rahmen des Familienzuzuges nach Österreich kommen dürfen im ersten Jahr nicht arbeiten und werden daher in eine totale Abhängigkeit von ihren Ehemännern gedrängt. Diesen Frauen möchte die Frauenministerin einen eigenständigen Aufenthaltstitel ermöglichen.
Heinisch-Hosek Gabriele (SPÖ)
Es geht da nur darum, dass Frauen auch selbstständig ein gewisses Einkommen haben müssen, vorweisen müssen, damit sie diesen Aufenthaltstitel wirklich haben und da glaube ich müssen wir noch Frauen besser unterstützen und nachbessern, dass sie sich trennen können, scheiden lassen können von ihrem Gewalttäter.
Wohlfahrt Dagmar (ORF)
Falls die angedachten Gesetzesänderungen tatsächlich umgesetzt werden könnte es gut möglich sein, dass die Telefone hier nicht mehr so oft klingeln.