Stellungnahme zur rechtlichen Gleichstellung von Lebensgemeinschaften
Die Koordinationsgruppe der Plattform 20000 Frauen begrüßt und unterstützt den Vorstoß von Frauenministerin Heinisch-Hosek zur rechtlichen Gleichstellung von Lebensgemeinschaften mit der Ehe und sieht darin einen wichtigen Schritt zur Modernisierung der vertraglichen Gestaltung von unterschiedlichen privaten Beziehungs- und Lebensformen.
Unserem Rechtsempfinden nach ist das Ziel die zeitgemäße rechtliche Gestaltung von Beziehungsverträgen, die alle bisher im Eherecht und anderen, damit zusammenhängenden Gesetzen geregelten Aspekte umfasst, und durch entsprechende private, individuelle Partnerschaftsverträge ablöst bzw. ergänzt.
Im Blickfeld sollten dabei neben hetero- und homosexuellen Partnerschaften auch alle anderen Lebensformen stehen, die von zwei oder mehreren erwachsenen Personen freiwillig gewählt werden.
Unsere Forderungen in diesem Zusammenhang sind folgende:
– die Möglichkeit, einen Partnerschaftsvertrag für Lebensgemeinschaften abzuschließen, damit insbesondere Frauen nach deren Ende abgesichert wind;
– die Möglichkeit für Partner/innen, einander Beistand zu leisten, konkret etwa im Krankheitsfall das Recht, vom Arzt informiert zu werden;
– die Aufteilung des in der Lebensgemeinschaft erworbenen Vermögens und die Regelung des Unterhalts nach einer Trennung;
– die Adaptation des Mietrechts: gemeinsame Mietverträge bei Bezug einer gemeinsamen Wohnung, nicht erst nach drei Monaten;
– die rechtliche Gleichstellung von Kindern aus Lebensgemeinschaften mit ehelichen Kindern;
– die Änderung des Erbrechts dahingehend, dass eine gemeinsame Wohnung im Todesfall des einen Partners / der eine Partnerin an den hinterbliebenen Partner / die hinterbliebene Partnerin weiter gegeben werden kann;
– dass auch andere Personen (Geschwister, Kinder, WG-KollegInnen, Großeltern…) zur Lebensgemeinschaft berechtigt sein sollen;
– die Adaptation des Staatsbürgerschaftsrechts dahingehend, dass in Lebensgemeinschaften auch österreichische Väter die Staatsbürgerschaft an ihre unehelichen Kinder weitergeben können;
– die Einrichtung von Beratungsstellen zur Regelung des Beziehungsvertrags, egal wie viele Menschen daran beteiligt sind;
– und letztendlich die rechtliche Gleichstellung aller Lebensformen, die von zwei oder mehr Personen freiwillig gewählt werden.
Hintergrund:
Die Möglichkeit, einen Partnerschaftsvertrag für Lebensgemeinschaften abzuschließen ist eine längst fällige Gesetzesreform, die den Missstand der Diskriminierung und Ungleichbehandlung – vor allem nicht verheirateter Frauen – abschafft und eine zivilisatorische Errungenschaft. Derzeit ist es möglich, dass Frauen, die jahrzehntelang mit einem Mann zusammen leben, oft die gemeinsamen Kinder großziehen (und über Jahre die Hausarbeit überwiegend erledigen), im Falle des Ablebens des Mannes bzw. nach einer Trennung keinerlei Ansprüche auf die in der gemeinsamen Beziehung erworbenen Vermögenswerte haben. profil 31 zitiert folgenden Fall: Ein Medizinstudent und eine Krankenschwester verlieben sich, ziehen in ihre Wohnung, sie hilft ihm immer wieder aus Finanzengpässen. Beide arbeiten im selben Krankenhaus, er wird ärztlicher Leiter, sie darf deshalb nicht Chefin des Pflegediensts werden. Nach 25 Jahren Lebensgemeinschaft trennt sich das Paar. Ihm bleiben fünf Eigentumswohnungen und sechsstellige Ersparnisse – und ihr die Wohnung, die sie schon am Beginn der Beziehung hatte.
Auch während der bestehenden Lebensgemeinschaft hat der eine Partner / die eine Partnerin keinen Anspruch darauf, von Ärzten / Ärztinnen Auskünfte über den anderen / die andere zu erhalten oder von LehrerInnen über die schulischen Leistungen der gemeinsamen Kinder.
Im Todesfall gibt es keine Erbrecht und keine Hinterbliebenenpension.
Besonders betroffen von dieser Situation sind auch migrantische Frauen und ihre Kinder. profil zitiert folgenden Fall: Ein Österreicher bekommt mit seiner philippinischen Lebensgefährtin ein Kind. Heiraten können die beiden nicht, da die Frau in ihrem Heimatland verheiratet war und es dort offiziell keine Scheidung gibt. Dennoch hätten sie ihrem Kind gerne die österreichische Staatsbürgerschaft gesichert. Das geht bei unehelichen Kindern aber nicht, da nur die Mutter die Staatsbürgerschaft weitergeben kann.
Diese eklatanten Diskriminierungen bestehen, obwohl in Österreich aktuell über 330.000 Lebensgemeinschaften – fast die Hälfte davon mit Kindern – existieren, Tendenz steigend. Während das Familienrecht Lebensgemeinschaften negiert, werden sie im Sozialrecht einkalkuliert. Dies hat u.a. zur Folge, dass sie im Arbeitslosenversicherungsgesetz mit Ehen und eingetragenen Partnerschaften gleichgestellt sind: Das Einkommen des Partners / der Partnerin drückt die Höhe des Arbeitslosengeldes oder der Mindestsicherung. Hier wird selbstverständlich davon ausgegangen, dass, wer gemeinsam unter einem Dach lebt, auch gemeinsam den Unterhalt bestreitet.