malmoe „Kein Event wie jeder andere“
18.03.2011
Kein Event wie jeder andere
Der Frauentag wird heuer 100 Jahre alt und blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Warum er so geworden ist, wie er heute ist …
Keine Frage, der Frauentag ist der Feiertag der Frauenbewegung. Es wäre absurd, ihn abzuschaffen, wie es z.B. Alice Schwarzer 2010 so medienwirksam gefordert hat: Zum einen, weil er als einziger Tag im Jahr die Frauenbewegung sichtbar macht, zum anderen, weil es in Bezug auf Gleichheit und Gerechtigkeit unter den Menschen noch einiges zu erreichen gibt!
Geschichte
Das Verhältnis zwischen Frauenbewegung(en) und Frauentag war und ist selbstredend wechselvoll. Zu Beginn des Frauentags handelte es sich um einen sozialistischen Agitationstag. Seine Existenz in Europa verdankt er vor allem der deutschen Sozialdemokratin Clara Zetkin, die sich bei der zweiten internationalen Frauenkonferenz in Kopenhagen 1910 dafür einsetzte, einen eigenen Frauentag nach US-amerikanischen Vorbild in Europa zu etablieren. In Kopenhagen überzeugte sie über 100 teilnehmende Frauen aus 17 verschiedenen Ländern von der Notwendigkeit eines Tages, der in erster Linie der Forderung nach dem Frauenwahlrecht verschrieben sein sollte. Im darauf folgenden Jahr begingen die AktivistInnen in Österreich, Dänemark, Deutschland und der Schweiz ihren ersten Internationalen Frauentag am 19. März und brachten, auch weil sich die bürgerlichen Frauen der Initiative angeschlossen hatten, gemeinsam mehr als eine Million Frauen auf die Straße.
Ihre dringendste Forderung: das allgemeine Wahlrecht für Frauen. Sie gingen aber auch für das Recht auf Arbeit, für gerechte Entlohnung und Bildung auf die Straße. Nur wenige Wochen nach diesem Triumph kam es zu einem Unglück, das die skandalöse Situation der Arbeiterin in den Vordergrund rückte: In New York brannte eine Textilfabrik ab, wobei über 140 Näherinnen ihr Leben verloren. Aufseher sollen aus Angst vor Verdienstentgang die Notausgänge blockiert haben. Geschockt von den unhaltbaren Zuständen in den Fabriken, die Katastrophen wie das erwähnte „Triangle Fire“ in New York verursachten, beschlossen die Organisatorinnen des Frauentags, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Frauen und deren gesetzliche Regelung zu einem weiteren Hauptanliegen ihres Projektes zu machen. Nicht umsonst sprachen viele Aktivistinnen zu Beginn des Jahrhunderts auch vom „internationalen Tag der arbeitenden Frau“. Der Frauentag wurde in den nächsten Jahren zu einer festen Institution innerhalb der sozialistischen Bewegung. Und 1918 wurde in Österreich und Deutschland eines ihrer Hauptanliegen, das allgemeine Wahlrecht für Frauen, durchgesetzt.
Unterschiedliche Termine
Was das Datum des Frauentags betrifft, so variierte dieser noch bis in die 1970er Jahre. Nachdem der Frauentag nach dem ersten Weltkrieg mehrere Jahre nicht begangen wurde, beschlossen die kommunistischen Frauen 1921, ihn wieder aufleben zu lassen. Sie orientierten sich bei dem Datum an einem historischen Ereignis der großen ArbeiterInnenkämpfe in Russland: Am 23. Februar 1917 legten dort die russischen Frauen nach mehreren entbehrungsreichen Kriegsjahren die Arbeit nieder und forderten „Brot und Frieden“. Dieser Frauenstreik wurde in Folge auch von männlichen Arbeitern unterstützt und löste schliesslich die russische Revolution aus: Am vierten Tag des Streiks dankte der Zar ab und als einen der Nebeneffekte erhielten die Frauen von der provisorischen Regierung das Wahlrecht.
Der 23. Februar im julianischen Kalender, der damals noch in Russland verwendet wurde, fällt im gregorianischen auf den 8. März. In dieser Tradition wurde der Frauentag von nun an von den kommunistischen Frauen in Österreich weitergeführt. Das Bündnis mit den sozialistischen und bürgerlichen Frauen blieb allerdings nicht bestehen, weshalb diese zum Teil ihre eigenen Frauentage begingen. Erst mit der offiziellen Festlegung des 8. März zum internationalen Frauentag durch die Vereinten Nationen (UNO) im Jahr 1975 hatten die unterschiedlichen Termine in einzelnen Gruppen und Ländern ein Ende.
Ausdifferenzierungen
Die Bedeutung des Frauentags hat sich in den bereits 100 Jahren seiner Existenz selbstredend immer wieder verändert. In der UdSSR etwa, wo der Frauentag schon bald als arbeitsfreier Feiertag begangen wurde, verlor er seinen revolutionären, kämpferischen Charakter und mutierte zu einem allgemeinen Frauenfeiertag ähnlich dem Muttertag in westlichen Gefilden. Bis heute kaufen Männer in den ehemaligen Sowjet-Republiken an diesem Tag Blumen für Frauen als Zeichen ihrer Anerkennung. Auch in China und in einigen afrikanischen Ländern wird der 8. März als Feiertag begangen. In den westlichen Ländern verschwand der Frauentag in der Nachkriegszeit mehr und mehr aus der öffentlichen Wahrnehmung.
Erst mit dem Aufkommen der zweiten Frauenbewegung Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre wurde der Frauentag neu entdeckt. Seine ursprüngliche Verankerung in der sozialistischen und kommunistischen Bewegung spielte bei dieser Wiederbelebung allerdings nicht mehr die tragende Rolle. Es waren die dominanten Forderungen der neuen Frauenbewegung, die ab nun den Frauentag beseelten: Dazu gehörte zum einen der Kampf für gleiche Rechte und Teilhabe in allen Bereichen der Gesellschaft, zum anderen körperliche und sexuelle Autonomie für Frauen. Eine der zentralen Forderungen der westlichen Frauenbewegung lautete demnach auch das Recht auf einen straffreien Schwangerschaftsabbruch.
Auch im Süden nützten Aktivistinnen das Potenzial des Frauentags, um auf (globale) Ausbeutung und strukturelle Armut aufmerksam zu machen. Richtig Fuß fassen konnte der Frauentag in Westeuropa schließlich im Laufe der 1980er, wo er von vielen Organisationen und Gruppen vielstimmig begangen wurde.
Frauentag: Kampftag, Event?
Heute gilt der Frauentag als einer der erfolgreichsten internationalen Polit-Kampagnen und es scheint so, dass seine Sichtbarkeit mit jedem Jahr noch weiter zunimmt. Die Zahl der politischen Veranstaltungen ist unüberschaubar geworden und zumindest in Wien gibt es alljährlich eine Frauen-Lesben-Mädchen-Demo am 8. März. Inzwischen hat auch der Handel den Trend erkannt und lockt an diesem Tag mit speziellen Preis-Rabatten für Frauen. Verbilligte Öffis, ORF-Schwerpunkte, das Frauenzeichen auf der Google-Startseite – heute kann sich der Frauentag nicht mehr über mangelnde Aufmerksamkeit beklagen. Der zunehmende Event-Charakter schlägt aber auch vielen AktivistInnen auf den Magen, weil sie die politischen Forderungen des Frauentags davon überschattet sehen. Ja, was sind die eigentlich im Jahr 2011?
Viele Slogans, die bei den vergangenen Demos am 8. März immer wieder zu lesen waren, muten breit an: Neben der grundsätzlichen Kritik an einer kapitalistischen Gesellschaftsordnung, die unsolidarische Denkmuster immer weiter fördert, werden Rassismus angeprangert, Militarismus, die sexistische Ausbeutung des weiblichen Körpers sowie menschenfeindliche Körperregime im Allgemeinen. Es geht um die „Bekämpfung der Gesamtheit der Verhältnisse“, wie es die autonomen Organisatorinnen der 2011er-Demo ausdrücken. Wenn am 19. März 2011 zum 100. Jubiläum des ursprünglichen Datums des Frauentages die hoffentlich 20.000 Menschen am Wiener Ring aufmarschieren, dann wird es auch kein einheitlicher Forderungskatalog sein, den die DemonstrantInnen vor sich her tragen. Ob das gut oder schlecht ist, wäre Thema für einen weiteren, sehr umfangreichen Text. Die aktuelle Frauenbewegung stellt sich jedenfalls derzeit so dar.
Quelle: www.malmoe.org