JungeWelt.de „20000 auf die Straße bringen“ von Anna Bock

20000 auf die Straße bringen

Breites Bündnis österreichischer Organisationen mobilisiert zu Demonstration am 19. März in Wien – um 100 Jahre Internationalen Frauentag zu feiern

08.03.2011

Anna Bock ist Sozialwissenschaftlerin und lebt als freie Journalistin und Publizistin in Berlin.

Am 19. März 1911 gingen auch in Österreich Frauen erstmals gemeinsam auf die Straße, um für ihre Rechte einzutreten. 20000 Frauen (und einige wenige Männer) demonstrierten damals für die Einführung des Wahlrechts für Frauen und für eine Gleichberechtigung der Geschlechter. Die Initiative zu diesem ersten Internationalen Frauentag war von der 2. Sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen im August 1910 ausgegangen. 100 Frauen aus 17 Nationen unterstützten damals den Vorschlag von Clara Zetkin, jedes Jahr einen Internationalen Kampftag durchzuführen. An diesem Tag sollten neben dem Wahl- und Organisierungsrecht auch, vor allem für Mütter und Kinder, der Achtstundentag sowie gleicher Lohn für gleiche Arbeit eingefordert werden. Angesichts des drohenden Krieges kamen Antikriegsparolen hinzu.

Viele der damals erhobenen Forderungen sind mittlerweile umgesetzt, aber längst nicht alle. Deshalb gehen Frauen auch in Europa weiter jedes Jahr auf die Straße. Aber die Demonstrationen sind heute um einiges kleiner als noch in den 70er Jahren. In Wien soll sich das jetzt ändern. Ein überparteiliches, interkulturelles und interkonfessionelles Bündnis ruft unter dem Motto »20000frauen – AUS! Aktion. Umsetzung. Sofort« zu einer großen Manifestation. Am 19. März wollen die Organisatorinnen entlang der historischen Strecke über den Wiener Ring wieder so viele Frauen auf die Straße bringen wie vor 100 Jahren. Statt am Wiener Rathaus soll die Abschlußkundgebung dieses Mal vor dem Parlament stattfinden.

Mit der Jubiläumsdemonstration wollen die österreichischen Feministinnen mutiger Vorkämpferinnen gedenken und auf weiterhin bestehende Probleme aufmerksam machen. Gründe zum Protestieren gibt es nach Meinung der Initiatorinnen genug. Ausdrücklich soll es nicht darum gehen, neue Forderungen aufzustellen, sondern die zu sammeln, die in den vorangegangenen Jahrzehnten aufgestellt wurden und noch ihrer Erfüllung harren. Das Bündnis hat daher alle beteiligten Organisationen und interessierte Personen gebeten, drei Forderungen mitzuteilen, für die sie in diesem Jahr auf die Straße gehen wollen. Die auf der Internetseite der Plattform gesammelten Beiträge der bisher über 100 Organisationen geben einen Überblick darüber, wie aktuell alte Forderungen noch sind und auch, wie sehr sich die Frauenbewegung gewandelt hat.

Das feministische Monatsmagazin an.schläge fordert volle Finanzierung aller feministischen und migrantischen Projekte sowie die Förderung kritischer feministischer Berichterstattung. Die Dachorganisation Autonomer Frauenhäuser in Österreich (AÖF) stellt gleich fünf Forderungen auf, darunter einen eigenständigen Aufenthaltsstatus für Migrantinnen, eine ausreichende finanzielle Absicherung aller Frauenhäuser und kontinuierliche Gewaltpräventionsarbeit vom Kindergarten bis in die Universitäten. Für den Verein TransX steht die »Anerkennung des gelebten Geschlechts« im Vordergrund. Der Zusammenschluß Quotenschoten nutzt die Gelegenheit zur Plazierung eines kleinen Manifests für die Quote in Privatwirtschaft und öffentlichem Dienst. Die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen und Kürzungen bei Frauen- und Mädchenprojekten werden in vielen weiteren Beiträgen problematisiert.

Auch Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) unterstützt die Initiative und wird auf der Demonstration am 19. März als Rednerin auftreten. Ihr Ministerium hat anläßlich des Jubiläums die Kampagne »Wir kommen so weit wir gehen« ins Leben gerufen. Sie soll vor allem dazu dienen, die Aktivitäten »von engagierten Frauen in Österreich sichtbar zu machen und zu vernetzen«.

Wieviel sich in 100 Jahren Frauenbewegung geändert hat, ist schon an der Mobilisierungswebseite der Plattform »20000frauen« zu erkennen: Die neuen Medien werden eifrig genutzt, es wird getwittert, und Beteiligung auch nicht-organisierter Frauen ist auf allen Ebenen erwünscht. Dazu tragen auch die offenen wöchentlichen Vorbereitungstreffen bei. Der 19. März soll dabei nach dem Willen der Demo-Organisatorinnen Auftakt für eine stärkere Politisierung und Vernetzung von Frauen und an emanzipatorischen Zielen interessierten Menschen sein.

Der Verzicht auf einen zentralen Kundgebungsaufruf und die Möglichkeit für alle, ihre Vorstellungen einzubringen, sollten sicher auch Querelen vermeiden. Dies ist jedoch nicht ganz gelungen. Weil die Plattform sich für eine »gemischte« Demonstration über Parteien- und Strömungsgrenzen hinweg entschieden hat, nehmen beispielsweise autonome Feministinnen nicht mehr an den Vorbereitungstreffen teil. Ihrer Meinung nach ist diese Entscheidung »grundsätzlich falsch«, da sie »eine Frauendemonstration als einen wichtigen Bestandteil einer Selbstorganisierung von Frauen« betrachten, wie das FrauenLesbenMädchenZentrum Wien in der Märzausgabe der an.schläge begründet. Über eine Beteiligung am 19. März werde jedoch weiter diskutiert. Parallel wurde aber zu einer autonomen FrauenLesbenMädchenDemo am heutigen 8. März in Wien aufgerufen. Ulli Weish vom Vorbereitungskreis der 19.-März-Demo hält in derselben an.schläge-Nummer dagegen und plädiert für »maximale Sichtbarkeit einer sich wieder formierenden feministischen Bewegung«. Zwei alte Bekannte der innerfeministischen Auseinandersetzung treten also auch bei diesem Jubiläum wieder auf die Bühne: Radikale und Realistische bzw. Pragmatikerinnen.

Quelle: www.jungewelt.de