Frauen – The Invisible Power, von Karin Kuna 2011

Frauen – The Invisible Power. Wir brauchen keine Frauen-Quote, wir fordern eine Politik für Frauen, die Rahmenbedingungen für Frauen schafft.

Schluss mit billigen Plätzen, Weg mit Politikerinnen, die einem Männer-System zuarbeiten.
Ehe ich meine Ideen in Sachen innovativer Jugendmarketing-Strategie präsentierte, nahm mich der Herr Vorstandsdirektor zur Seite und fragte mit besorgter Miene: „Es macht ja nix, wenn wir sagen, dass es das Konzept vom Grafiker ist, oder? So lässt sich das Ganze nämlich den Herren besser verkaufen!“ Aber ja doch – it’s a man’s world. In dieser muss ich mich als Frau, die es kraft eigener Leistung zu „etwas bringen will“, verbiegen und wenden lassen? Überzeugungen und charakterliche Festigkeit verleugnen, um auf dem Boden eines treibsandigen Karriere-Feldes nach der Pfeife einer überstandigen Männerriege zu tanzen? Eine Quotenregelung bedeutet nämlich genau das, dass sich Y-Chromosomenträger mit Dinosaurier-Denkweise anmaßen können, Frauen gnadenhalber den Zutritt in ihren Herrenclub zu erlauben. Die Quotenregelung ist das Feigenblatt einer verlogenen Frauenpolitik, die eine zähmende Frauen-Gleichmache insistiert. Vater-Töchter, die brav und leistungsorientiert, adrett und herzeigbar agieren, warten geduldig am Karriere-Feldrand, bis sie aufgerufen werden?

Wir Frauen brauchen keine Gnadenakte – wir verlangen Rahmenbedingungen, die Berufsausübung, Kinderkriegen und Familienleben ermöglichen. Also her mit den Geldtöpfen, in die wir Frauen genauso einzahlen, um so lebensnotwendige Projekte wie Transparenz-Datenbank, Asfinag-Schiebereien und ÖBB-Dahinwurschteln mitzufinanzieren. „Nur weil wir uns daran gewöhnt haben, ist es lange nicht normal!“ (Kettcar). Es ist Zeit die Phase der Umgewöhnung zu beschleunigen, den Polit-Retro-Männern und -Frauen muss endlich Spielverbot und Platzverweis erteilt werden.

Teil 1 – zum Nachdenken.
Ob die folgenden Zeilen eine Frau oder einen Mann porträtieren, macht einen gewaltigen Unterschied: Die Reaktionen, um nicht das böse Wort „Bewertungen“ zu verwenden, fallen nämlich je nach geschlechtsspezifischer Zuordnung anders aus.
Person X. (48) hat drei Kinder (heute 28, 27, 21) in den letzten zwanzig Jahren alleine „groß gebracht“ und fast im Alleingang auch ernährt, wenn man von Alimente-Zahlungen unter der Mindestgrenze absieht. Mangels Kinder-Betreuungseinrichtungen und leistbarer Unterstützung ist an eine „normale Berufsausübung“ nicht zu denken, der Weg in die Selbstständigkeit bleibt als einzige Alternative. Nach Jahren, in denen 16-20 Stunden-Tage und Wochenend-Arbeit zur Normalität werden, erkrankt X. schwer. Die Kinder (damals 17, 16, 11jährige GymnasialschülerInnen) bleiben mit der Situation allein, der Rest der Familienangehörigen zeigt sich in dieser Notlage nicht zuständig. Nach zwischenzeitlichem „Derrappeln“ kommt der nächste Schicksalsschlag: Burn-Out, Tumor-Erkrankungen, X. wird um Gewinnbeteiligung betrogen und von den Verwandten, die ihrerseits umfangreiche Hilfestellung als selbstverständlich konsumiert haben, nun endgültig fallen gelassen. Ganzheitliche Alternativ-Therapie und radikale Lebensumstellung machen X. wieder gesund, über Monate bleiben Arbeitsunfähigkeit und letztlich Bezug der Notstandshilfe. Auf Letztere verzichtet X. aus psycho-hygienischen Gründen, vor allem auch aus Scham (und geht vorübergehend ins „landwirtschaftliche Tagwerk“ im Sinne von Nachbarschaftshilfe arbeiten, um Wohnrecht zu behalten; Freundinnen und Freunde helfen immer wieder mit Geldbeträgen aus). Heute ist X. lebensfroh und gesund, legt Fokus gänzlich auf Neustart, um die reichhaltige, berufliche Erfahrung in Schaffen umwandeln zu können. Bisher negativ, was die Auftragslage betrifft, aber X. denkt nicht daran, aufzugeben.
Ist dies nun die Geschichte einer Frau, die nur realitätsfern agiert und offensichtlich z’deppert ist, sich Recht zu verschaffen? Oder ist es doch die Geschichte eines Mannes, der schlicht bewundernswert und mit offensichtlich großem Herzen sein Schicksal meistert?

Teil 2 – zum Vordenken.
Egal ob Mann oder Frau. Was Wirtschaft in beiden Welten steuert, ist die Aufrechterhaltung der Balance von Angebot und Nachfrage: Um zu verdienen, muss man produzieren, was die Leute kaufen oder eintauschen wollen, was sie nur dann tun, wenn sie sich entsprechenden Nutzen erwarten. Soweit stark verkürzt die volkswirtschaftlichen Ausführungen von Adam Smith , der seine Theorie mit der Metapher der „Invisible Hand“ als eine Art automatische Marktregulierung beschreibt. Was aber, wenn es in dieser Gleichung der marktwirtschaftlichen Rechnung noch eine unsichtbare, bisher nicht kalkulierte Komponente gibt? Also eine als selbstverständlich angenommene Konstante, die in der Sprache der Volkswirtschaft sehr wohl als „Nutzen maximierend“ für die Allgemeinheit zu bezeichnen ist, obwohl das nachgefragte Produkt nicht „Gewinn bringend“ von der produzierenden/ leistenden Person im Sinne der Marktregelung verkauft wird/ verkauft werden kann? Mit der zitierten „Komponente“ meine ich nichts anderes, als den unentgeltlichen Beitrag von (in den meisten Fällen) Frauen in Sachen Kindererziehung, -betreuung, -versorgung, sowie der Pflegedienstleistung kranker Familienangehöriger und – speziell in ländlichen Regionen – immer noch einer „selbstverständlichen“ Altenpflege. In Anlehnung an Adam Smith’s „Invisible Hand“ nenne ich diesen unbeachteten Beitrag zur Volkswirtschaft „Invisible Power“. Diese unsichtbare Kraft nämlich lässt den Wirtschaftsmotor erst rund laufen, wird als Treibstoff-Zusatz aber kaum erwähnt, mit Ausnahmen: Im Zuge der Pflege-Debatte ist diese Leistung von Frauen plötzlich mehr als eine Worthülse, im Zuge von Diskussionen um verhaltenskreative Kinder und auffällige Jugendliche stehen sehr wohl Familien-Rahmenbedingungen, vor allem die Definition von Mutterrolle (wo bleibt die des Vaters?!) im Mittelpunkt.

Denn an vorderster Front sind es die Mütter, die – wenn es nach Volksmeinung und Boulevard geht – versagen, die ihrer Erziehungs- und Aufsichtspflicht nicht nachgekommen sind, wenn „was passiert“. Nein, diese Mütter waren nicht unabkömmlich bei der Vorstandssitzung, sie haben auch keine neuen Forderungen im Bauernbund (nicht Bäuerinnenbund!) mitbestimmt oder grad eine Bauverhandlung geleitet, während der Junior zum Beispiel Schulanwesenheitspflicht als sinnlos-faden Zeitvertreib vom Tagesplan streicht. Sind viele Mütter einfach nur zu müde durch ständige Unter- oder Nichtbezahlung bei gleichzeitiger Überforderung durch „Alltag-Geschäfte“ im Alleingang? Wer kann sich schon in die Situation des täglich grüßenden Finanz-Murmeltieres „warum ist Ende des Geldes noch so viel Monat übrig?“ einfühlen? Und weiß daher, wie sehr konstanter Geldmangel zermürbt, Schuldgefühle und allgemeines Versagen impliziert.
Die Sache schaut gleich anders aus, wenn diese zitierte „Invisible Power“, also die anonymen Gratis-Leistungen aus Frauenkraft endlich beziffert werden, als Geld-Summe dargestellt und somit als Gegen-Wert ausgedrückt werden. Nur so wird ein erfassbarer und gegenständlicher Wert darstellbar, dergestalt muss endlich Bewusstsein geschaffen werden für Gender-Budgeting. Frauen müssen für eine Steuerverteilung-Gerechtigkeit kämpfen – eine Gegenüberstellung bezifferter und in Geldsummen ausgedrückter Leistungen genannter „Invisible Power“ muss im Verhältnis zur Verwendung von Steuermitteln und öffentlichen Geldern stehen. Die „Invisible Power“ gilt es deshalb sichtbar zu machen, um als entsprechend „powerful“ erkannt und als Leistung aus eigener Frauen-Kraft verstanden zu werden.

Politikerinnen, die sich zwar gerne als „Frauen-Vertreterinnen“ positionieren, aber letztlich nur sagen, was die Männer in ihren Parteien erlauben, verstehen freilich den Grant ambitionierter Geschlechtsgenossinnen kaum. Denn: Wer sich mit politischen Karrieren beschäftigt, weiß auch, dass es nicht jene innerhalb einer Partei nach oben schaffen, die innovative Ideen und Kampfeslust mitbringen, oder gar an Überzeugungen festhalten. Es sind vor allem jene Frauen, die sich möglichst geschmeidig einer männlich dominierten Parteidisziplin unterwerfen und im Sinne dieser auch das dümmste Zeug mit abstimmen. Die Grünen in Niederösterreich etwa haben mit derartiger Koketterie-Vorgabe in Richtung VP-Anbiederung alle Kanten und Ecken verloren, ein trauriges Beispiel aus Pröllistan bietet auch die besondere Situation in Krems. Denn hier hätte zwar offiziell eine Frau als VP-Bürgermeisterin Gestaltungsmöglichkeiten, stattdessen aber verantwortet die gebürtige Kärntnerin als handschüttelnder Grinse-Dummie seit mehr als zehn Jahren eine zutiefst unsoziale, frauen- und jugendfeindliche Stadt-Entwicklung mit.
Die Schulstadt Krems etwa verfügt weder über ein funktionierendes, autonomes Jugendzentrum, noch wurde in der politisch kontrollierten Kunstmeilen-Enge einer freien Kulturkreativ-(Jugend-)Szene Platz gelassen. Eine solche ist schon vor Jahren sukzessive – und politisch geradezu verfolgt – abgedreht worden, stattdessen werden „Mächtigkeits-Sauf-Events“ wie Marillen- und Beislfest – die politisch Korrekte, also VP-nahe Menschen organisieren – mit öffentlichen Subventionen bedacht. Krems hält traurige Rekordzahlen in Sachen Drogenmissbrauch und hat tragische Bekanntheit durch einen verwaschenen Polizei-Skandal um ein erschossenes Kind, einen jugendlichen Einbrecher aus dem „Kremser Problemviertel“. Ein Frauenhaus, das laut SozialarbeiterInnen dringend und für das Einzugsgebiet Waldviertel mehr als notwendig wäre, ist in Krems seit mehr als zwanzig Jahren nicht zu finanzieren. Für moderne Kinder-Betreuungseinrichtungen, innovativ organisierte Schülerhorte oder gar Kinderkrippen gibt es kein Geld, dafür aber kann eine Erweiterung der Donau-Uni um eine Elite-Medizin-Uni bezahlt werden? In einer Stadt, die auf Grund völlig überforderter, unfähiger Wirtschaftspartei-PolitikerInnen de facto pleite ist? Gemeinde- und Stadträtinnen, Bürgermeisterin etwa sind als „Polit-Frauen“ schon länger im Kremser Amt, besetzen Positionen mehr, als sie sie mit Leben füllen, haben sich zum Teil warm gebettet im niederösterreichischen Landespolit-Filz. Nicht im Sinne von ernstgemeinter Frauenpolitik agieren sie, sie funktionieren im Sinne der Vorgaben einer Männer-Politik, fungieren lediglich als Wasserträgerinnen, was sie als „Karriere“ und nicht als Verrat an Frauen-Politik verstehen. Keine Frage von Quote, sondern von Haltung.


Teil 3 – zum Umdenken.

„Geht’s eh noch, Herr Mitterlehner?“
Das ist wohl die natürlich Reaktion auf das Zugeständnis von Reinhold Mitterlehner, der verkündet, die Frauenquote in den Vorständen staatsnaher Betriebe schrittweise (!) und „Gotterkeit“ auf 30 Prozent anzuheben. Da ist sie wieder, die Crux der Quotenregelung – sie ist das Papier nicht wert, solange es nur beim theoretischen und kosmetischen Ansatz bleibt, aber keinerlei Budget-Verschiebungen hin zu konstruktiver Frauenförderung getätigt werden. Was wir Frauen wollen, ist keine Platzgarantie für einige, wenige Jagd-, Golf- oder Weinkost-Fanatikerinnen – wir fordern eine sofortige, finanzielle Stärkung des Sozial- und Bildungsressorts, denn dort sind vor allem „unsere“ Berufe angesiedelt, sowie „unsere“ Ressourcen-Fresser versteckt. Es muss eine Aufwertung aller Pflege- und Lehrberufe (Kindergarten und Schule) geben, samt entsprechender Gehaltsanpassungen an männliche Richtlinien, es braucht die unmittelbare Realisierung innovativer Kindergarten- und Schulmodelle, außerdem müssen die „Invisible Power“-Leistungen transparent gemacht werden. Erst wenn diese sozialen Rahmenbedingungen dem Wissens- und Entwicklungsstand des 21. Jhs. entsprechen, erst dann reden wir weiter über die männlichen Abenteuerspielplätze wie Bundesheer und noch mehr sinnlose, ökologisch-alte Autobahn-Projekte oder teure Gedächtnis-Bahnstollen, über die bodenlose Frechheit von Banken-Rettungspaketen und Multi-Subventionen landwirtschaftlicher Betriebe zur Umsatzsteigerung im Raiffeisen-Lagerhaus.

Denn unsere Interessen, liebe Frauen, hängen mit den Interessen eines Sozial-Staates zusammen. Wenn wir diesen sukzessive zerstören (lassen), zerstören wir die Zukunfts- und Berufschancen von Frauen gleichermaßen – es wird Zeit, dass wir von den billigen Plätzen aufstehen und Politik im Sinne von uns Frauen einfordern, dass wir dem „Konzept der symbolischen Gewalt, dem Problem der Herrschaft und Dominanz des Männlichen“ abschwören (vgl. Pierre Bourdieu ).
Machen wir uns nichts vor: Wir müssen jetzt für Frauenrechte kämpfen, nicht leiden. Die Polarität in den Fragestellungen – Beruf oder Kinder? Familie oder Beruf? Kinder und Familie? – kann nicht länger die Lebensentscheidungen von Frauen definieren. Die Antwort muss heissen können: Beruf und Kinder und Familie – oder wie immer frau ihr Leben gestalten möchte! Wir brauchen keine Frauen-Quote, wir brauchen Frauen-Politik, die Rahmenbedingungen für Frauen und ihre Lebensumfelder schafft. Politikerinnen, die dem Männer-System zuarbeiten, müssen weg. Vielleicht wird es ja auch Zeit für eine eigene Frauen-Partei…

Karin Kuna (48), Marketing- und Werbe-Arbeiterin, freie Journalistin; studiert Europäische Ethnologie; lebt in NÖ und Wien.