Offener Brief & Stellungnahme zur Entfernung der Aktion „KnitHerStory

Stellungnahme der Plattform 20000Frauen zur Entfernung der KnitHerStroy
Achtung Kunstvernichtung!

Die politisch Verantwortlichen der Stadt Wien könnten stolz sein! Sie könnten sich schmücken mit einem gewaltigen künstlerischen Potential, das dieser Stadt innewohnt, mit überschäumender Kreativität, mit Zivilcourage, mit einer friedlichen Protestkultur, mit spontanen oder aber akribisch vorbereiteten künstlerisch-politischen Aktionen im öffentlichen Raum. Doch was tun sie? Sie veranlassen Kunstvernichtung! Sie zerstören Kunstwerke! Nicht erst seit den Bücherverbrennungen des vergangenen Jahrhunderts gilt hierbei keinerlei Unschuldsvermutung: Alle Alarmglocken müssen läuten bis zur Schmerzgrenze, es besteht dringender Handlungsbedarf!

Was ist geschehen?
Am 19. März 2011 fand am Wiener Ring eine Demonstration aus Anlass des 100. Internationalen Frauentags statt. Die „Strickistinnen“ nahmen gemeinsam mit dem Verein Genderraum dieses Ereignis zum Anlass, um vor allem auf das unermüdliche Kämpfen von Frauen für gleiche Rechte aufmerksam und die Beteiligung von Frauen an der Geschichte sichtbar zu machen. „Sichtbarmachung“ bedeutet in diesem Fall in erster Linie „Sichtbarstricken“ des Weges dieser ersten Demonstration von 1911. Indem sie Objekte auf dem Weg der Demonstration einstrickten und somit diesen Weg symbolisch erstrickten, fordern sie auch die Entprivatisierung textiler Techniken und die Eroberung des primär männlich kodierten öffentlichen Raums.

KnitherStory“ hieß die ebenso kreative wie progressive Kunstaktion, innerhalb derer 100 Künstlerinnen selbstorganisiert Monate lang Kunst produziert und in einer noch nie dagewesenen Installation an Bäumen entlang des Wiener Rings ausgestellt hatten. Selbstverständlich hatten sie auch die notwendigen behördlichen Bewilligungen besorgt, die Dauer der Installation war über den 19. März hinaus bis 26.März 16.00 Uhr behördlich genehmigt. Entgegen dieser Bewilligung wurden die Kunstwerke ohne Verständigung und ohne Beisein der Künstlerinnen von – wie Zeuginnen berichten – Mitarbeitern der Straßenreinigung entfernt und vernichtet!

Was zeigt diese Tat?
„Kunst ist Mist!“ Vorurteile dieser Art werden in unserem Land leider nicht nur formuliert, sondern sind nunmehr auch wörtlich zu nehmen. Was nicht verstanden wird, muss gekübelt werden!
Das immanente Ziel der Kunstaktion, nämlich die Kritik am Umgang mit Frauenarbeit und an der Geringschätzung der Leistungen von Frauen, wird konterkariert durch die Zerstörung von Frauenarbeit und die Geringschätzung der Leistung von Künstlerinnen – und zwar von Amts wegen!

Diese Schande darf die Stadt nicht auf sich sitzen lassen. Es ist unverzüglich Einvernehmen mit den Künstlerinnen über die Form der Wiedergutmachung herzustellen. Auch wenn die gegenständlichen Kunstwerke voraussichtlich unwiederbringlich sein werden: Die Stadt hat sie zu bezahlen. Sie könnte darüber hinaus Auftragsarbeiten erteilen für eine neuerliche Installation. Sie könnte diese zu einer ständigen künstlerischen Intervention erheben. Dann wäre dauerhaft sichtbar, was im Interesse aller sein sollte: Weder Mistkübler noch Amtsschimmel noch Kunstunsachverständige bestimmen in Wien, was Kunst ist und wo, wann und wie lange sie gezeigt werden darf.

Plattform 20000 Frauen

Anbei eine Anregung für Euer Protestschreiben.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister!

Mit großer Bestürzung habe ich soeben erfahren, dass angeblich die MA 48 die Kunstwerke der behördlich genehmigten Kunstaktion im öffentlichen Raum KnitHerStory im Zuge des 100. Frauentages entfernt und zerstört hat. Ich hoffe ja noch immer, dass dies eine Fehlmeldung ist, und die wertvolle Strick-Kunst von Frauen unbeschadet vorhanden ist.

Sollten diese Meldungen stimmen, ist das ein unerhörter Skandal. Es geht nicht nur um die Zerstörung von wertvoller zeitgenössischer Kunst von 100 Frauen im Wert von einigen hundertausend Euro, sondern um ein Symbol wie in dieser Stadt mit Frauenarbeit und der Leistung von Frauen umgegangen wird. Ist es tatsächlich möglich, dass im Jahr 2011 so achtlos und zerstörerisch mit der Arbeit und den Werken von Frauen umgegangen wird???

Ich fordere sofortige und lückenlose Aufklärung, gegebenenfalls Restitution und im Falle der tatsächlichen Zerstörung die volle Entschädigung.

Mit besten Grüßen
…..

Zu richten an: michael.haeupl@wien.gv.at


Stellungnahme Sandra Frauenbergers zur vorzeitigen Entfernung der Strickkunst

Augustin-Artikel: Kunst ist Mist von Amtswegen