aus „Volksstimme“ Oktober 2012

Gemeinsame Obsorge

Machtkampf ums Kind

Dass ein automatisch geltendes gemeinsames Sorgerecht auch automatisch bessere Eltern aus zankenden Ex-Partnern macht, ist zu bezweifeln. Vernunft lässt sich nicht per Gesetz verordnen.

Ja, es gibt sie, die Väter, die sich um ihren Nachwuchs kümmern, die (nicht nur finanziell) für ihr Kind sorgen, sondern die, karenziert oder nicht, die Windeln wechseln und nachts am Bett des kranken Kindes sitzen. Die eben auch die ganz vielen unangenehmen Seiten von Betreuungspflichten wahrnehmen, die also nicht nur Fußball mit dem Sohn spielen oder mit der Tochter den Schwimmkurs besuchen, sondern die umfassend das Wohl ihres Kindes im Auge haben und dafür keinen Richterspruch brauchen.

Aber ehrlich, diese Sorte Vater ist rar. Konkret: Selbst wenn Männer eine Auszeit nach der Geburt ihres Kindes nehmen, dauert das für 71,9 Prozent maximal ein halbes Jahr. Nur 6,4 Prozent der Männer unterbrechen ihre Erwerbstätigkeit wegen des Kindes und nur 31 Prozent der Frauen bekommen bei der Kinderbetreuung Unterstützung durch den Partner. Im Jahresschnitt 2010 erhielten 44.524 Kinder einen Unterhaltsvorschuss (Statistik Austria), das heißt, väterliche Drückeberger sind nicht nur beim Kinderbetreuen, sondern auch bei den Alimentationszahlungen für den Nachwuchs auszumachen.

Nun gibt es ein Höchstgerichtsurteil, nach welchem auch Väter unehelicher Kinder ein Antragsrecht auf gemeinsame oder alleinige Obsorge haben. „Im Interesse des Menschenrechts auf Familienleben“ hat der Verfassungsgerichtshof dem österreichischen Gesetzgeber aufgetragen, bis Ende Jänner 2013 eine Reparatur des ABGB vorzunehmen. Der Österreichische Frauenrung, eine Dachorganisation von mehr als 40 österreichischen Frauenorganisationen, sagt NEIN zu einer weiteren Novellierung der Vertretungsrechte beider Elternteile in Richtung „automatischer gemeinsamer Obsorge“ – gerade nach strittiger Scheidung. In einer Stellungnahme an die Medien begründet Dr. Brigitte Hornyik, Vertreterin des Vereins Österreichischer Juristinnen im Vorstand des Frauenrings, weshalb:

„Erstens: Es sind die VäterRECHTLER, die immer nur auf ihre RECHTE pochen und gern auf unangenehme Betreuungspflichten (Stichworte kranke Kinder, durchhustete Nächte, Büffeln für Mathe, obwohl frau selbst schon nach Arbeit, Haushalt, kurz dem üblichen Alleinerzieherinnen-Alltag am Sand ist) vergessen! DESWEGEN wird von Frauenseite jetzt darauf hingewiesen, dass Sorgerecht nicht nur Recht, sondern auch Pflicht ist.
Zweitens: Es sind die Kampf-Väter, denen es wohl mehr um Macht als um das Kindeswohl bzw. ihre Beziehung zu den Kindern geht. Väter, die sich bereits während aufrechter Beziehung engagiert haben – und zwar im Alltag am Krankenbett, in den Sprechstunden usw., also im Bereich des nicht immer so rosigen und Glück bringenden Dienstleistungsunternehmens „Elternschaft“, werden nach einer Trennung sicher nicht ausgesperrt! Nur die, die ihre Vaterschaft erst vor dem Pflegschaftsgericht entdecken, sind nicht immer so willkommen …
Drittens: An ALLE: Die „gemeinsame Obsorge“ ist keine gemeinsame Obsorge, sondern das alleinige Vertretungsrecht der Mutter einerseits, des Vaters andererseits für das Kind – Stichwort: Unterschrift! In aufrechter Beziehung meist kein Problem, nach der Trennung meist schon: Mama meldet an, Papa meldet ab, Mama stellt einen Antrag, z.B. Reisepass, Papa zieht den Antrag zurück – na fein! Wohliges Kindeswohlgefühl macht sich breit! Wenn
sich Mama und Papa trotz Trennung wie vernunftbegabte Menschen verhalten, miteinander gerade über die Kinder reden, sind die rechtlichen Rahmenbedingungen zweitrangig – aber wehe, wenn nicht! Dann kann jede simple Unterschriftsleistung zum Nebenschauplatz des Rosenkriegs werden!

Also lassen wir die Kirche im Dorf: Es geht nicht um ausgesperrte Väter und böse Mütter, die nur Machtinteressen verfolgen und den armen Papis die Pflichten aufhalsen wollen. Es geht auch nicht um unsere Liebe zu den Kindern – die entzieht sich ja Göttin sei Dank den Paragrafen. Es geht um pragmatische Regelungen, die den ohnehin schwierigen Alltag von AlleinerzieherInnen – großes I wohlgemerkt! – nicht noch mühsamer machen. Wenn jede Schikursanmeldung zum Spielball kleinlicher Zänkereien werden kann, ist es doch wohl mehr im Interesse von Mutter, Vater und Kind, beim derzeitigen grundsätzlichen alleinigen Vertretungsrecht eines Elternteils zu bleiben – es kann ja ohnehin in beiderseitigem Einverständnis ein Vertretungsrecht auch des jeweils anderen Elternteils festgelegt werden. Und Gratulation an alle, die trotz Scheidung solche juristischen Regeln gar nicht brauchen!“

B. D.