malmoe „101 Jahre Internationaler Frauentag“

101 Jahre Internationaler Frauentag

Und die Verhältnisse sind noch immer nicht zum Tanzen

Letztes Jahr wurde der 100. Jahrestag des Internationalen Frauentages begangen. Neben der alljährlich stattfindenden autonomen FrauenMädchenLesben-Demo gab es am 19.März die breit und großangelegte Bündnisdemonstration der Plattform 20.000 Frauen, eine Ausstellung zur Geschichte im Volkskundemuseum, diverse Vorträge, Symposien und Lippenbekenntnisse von Institutionen sowie institutioneller (Partei-)Politik. Beteiligung und Interesse waren gering im Vergleich zur Notwendigkeit des Handelns gegen Frauenbenachteiligungen in all ihren Formen und dem Aufwand der Organisation; riesengroß allerdings im Vergleich dazu, was Feminist_innen sonst an Öffentlichkeit gewohnt sind.

Idee des breiten Bündnisses war, aus dem „eigenen Eck“ und den relativ hermetisch abgeschlossenen Subkulturen rauszugehen und sich einmal mehr zu öffnen, um Interessierten überhaupt eine Möglichkeit zu bieten, an Frauenbewegungen anzudocken, Forderungen in eine breitere Öffentlichkeit zu tragen – diese Öffnung bezog sich auf einer feministischen Szene noch nicht nahe Stehende ebenso, wie auf für Feminist_innen politisch fragwürdige Kooperationspartner_innen wie die ÖVP. Was von dem 100-Jahr-Jubiläum geblieben ist und was wir davon vielleicht lernen können im Hinblick auf Strategien feministischen Agierens, fragte MALMOE die Historikerin Heidi Niederkofler.

MALMOE: Zwei Demos, 20.000 Frauen und ein Platz im Geschichtsbuch – was ist geblieben von den Feierlichkeiten rund um das Jubiläum 100 Jahre Internationaler Frauentag?

Heidi Niederkofler: Ja, diese Punkte werden wahrscheinlich in Erinnerung und im historischen Gedächtnis bleiben. Entstanden ist im letzten Jahr jedoch viel mehr, was daraus wird bzw. was bleibt, das ist eine noch nicht zu beantwortende Frage. Bemerkenswert scheint mir jedenfalls, dass sich verschiedene Netzwerke (z. B. Plattform 20.000 Frauen, die Kulturplattform femous) und Projekte wie Knitherstory gebildet haben, die über Aufrufe funktionierten: Das Jubiläum galt als Anlass, neue Bündnisse zu schließen und kollektiv an die Öffentlichkeit zu gehen.

Spannend fand ich – und finde immer noch – den Umstand, dass ein Ereignis, das vor 100 Jahren stattgefunden hat, noch so viel Mobilisierungskraft hat. Ausschlaggebend dafür ist, dass der Frauentag für die vorgestellte Gemeinschaft vieler Feminist_innen ein Rahmen ist, in dem sie sich kollektiv präsentieren und auch selbst wahrnehmen können. In diesem Kontext wird Geschichte und Erinnerung im Sinn von politischen Inhalten und Strategien, von sozialer und politischer Kultur wiederholt, geschaffen und damit auch gemeinsam neu erfahren – und wirkt insofern gemeinschaftsstiftend. Der Frauentag ist regelmäßig auch ein Anlass, damit möchte ich die dritte Funktion von Jahrestagen nach Aleida Assmann nennen, zur Reflexion von Politik, Forderungen, Strategien, Bündnissen usw. Wird die Geschichte des Frauentags untersucht, so wird deutlich, wie vielfältig die mit diesem Tag verknüpften Inhalte sind: von der Forderung nach staatsbürgerlichen Grundrechten über Kinderschutz bis hin zu friedenssichernden Maßnahmen.

Überspitzt gesagt: eine linksradikale, autonome Demo mit 150 Frauen, Mädchen und Lesben auf der einen, eine von links bis katholisch ideologisch diffuse, aber große und offene Demo für Frauenrechte mit mehr als 5.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf der andren Seite – was hältst du auch vor dem Hintergrund historischer Erfahrungen von diesen politischen Strategien, was können sie?

Dass der Frauentag an unterschiedlichen Tagen von verschiedenen Gruppen begangen wird, ist an sich nicht neu, im Gegenteil: Über den Großteil der 100 Jahre hinweg gab es zwei Demonstrationen bzw. Veranstaltungen zu diesem Anlass, und zwar getragen von der SPÖ und der KPÖ und ab Ende der 1970er Jahre von der autonomen Frauenbewegung. Die jeweiligen Kollektive haben mit ihren Forderungen und Strategien die anderen beeinflusst, durchaus auch Druck ausgeübt und zeitweise radikalere Positionen des politischen Gegenübers begünstigt. …Mehr…