Genitalpanikattacken: Ein Abriss über den weiblichen / feministischen Anteil am Aktionismus von Doris Krumpl

Ja, das ist so eine Geschichte mit der Frau und K., wie Elfriede Jelinek den „Herrn Körper“ nennt. Und diese Geschichte hat auch viel mit Aktionismus und Body Art zu tun. Und mit Feminismus. „Denn Herr K. ist selbst das, was kommt, und gleichzeitig ein Türhüter, der es nicht zulässt; jede Frau hat ihren eigenen. Und meist traut sie sich selbst nicht durch ihre eigene Tür hindurchzugehen.“

Körper ist Krieg: „Your Body is a battleground“, schrieb Barbara Kruger auf ihre fragmentierten Fotoarbeiten von Körperteilen. Das war aber bereits in den späten fit-for-fun-80er-Jahren. Grundlagen für alles Weitere, was da noch kam, lieferten bahnbrechende Aktionen und Performances von Künstlerinnen der 60er- und 70er-Jahre. Der Körper galt dabei als letzte Sicherheit, als letzte Erfahrungsinstanz in Zeiten, in denen sonst alle Muster zusammenbrechen. Zusammenbrechen soll(t)en. Nie zuvor setzten Frauen ihren Körper in dem Maße als Material ein, versuchten Geschlechterstereotypen zu durchkreuzen und Kontrapunkte zum eindeutig männlich dominierten Aktionismus zu setzen. Und da gibt es in Österreich eigentlich „nur“ Valie Export.

Das Medium Fotografie entsprach den Ausdrucksmöglichkeiten des feministischen Aktionismus am besten: „Als Möglichkeit, temporäre Ereignisse, Inszenierungen, zu konservieren und einem Publikum zugänglich zu machen“, schreiben Monika Faber und Brigitte Huck im Katalog zu ihrer fulminanten Wiener Körperbilder-Ausstellung „auf den Leib geschrieben“ (1995). Maria Lassnig bemalte die andere Seite der Medaille in ihren „body awareness paintings“, auf denen sich der eigene Körper ausdehnt und verdinglicht. Sie formulierten Gedanken wie Gefühle um damals besonders virulente Fragen nach weiblicher Identität und Selbstbestimmung.

Valie Export suchte mehr noch nach dem Dahinter, nach den Strategien, den Bilden, den Medien, die diese „Natur“ des Weiblichen definieren. Ihre Form des „Expanded Cinema“ lag im Tapp-und Tast-Kino, bei dem Passanten durch einen Vorhang hindurch die Brüste der Künstlerin betasten durften. Sie führte Peter Weibel an der Hundeleine spazieren. Ins Pornokino ging Export, ein Maschinengewehr geschultert, in Hose mit offenem Schritt. Und erklärte, sie stehe zu allem zur Verfügung. Statt von dieser einmaligen Gelegenheit Gebrauch zu machen, flohen die Männer in „Genitalpanik“, wie Export die Aktion bezeichnete.

Bei Marina Abramovics Aktion „Rythm O“ (1974) hingegen kam es zur Schlägerei, als sie Männer vergewaltigen wollten. Die Extremkünstlerin, die ihren Körper enormen Risiken aussetzte – das gehört zum Teil dazu: Chris Burden etwa ließ sich in den Arm schießen, Günter Brus zerriss sich fast selbst -, hatte sich nämlich für sechs Stunden dem Publikum angeboten. Schmerz und Lust könne man ihr zufügen. Sie stellte auch Hämmer, Rasierklingen und anderes Werkzeug zur Verfügung. Das Publikum machte in dem Fall Gebrauch davon: Man trennte die Kleider vom Leib, brachte ihr Schnittwunden bei, legte ihr eine geladene Pistole in die Hand, Finger am Abzug.

Das war es auch: Extreme ausloten, den Körper zur Leinwand machen und Alternativen finden zwischen den beiden Stereotypen Madonna oder Hure. Charlotte Moorman und Hannah Wilke thematisierten ihre lebensbedrohenden Krankheiten. In Japan ging Yoko Ono radikal mit Körper-Vorbildern um, in Italien Gina Pane, in Deutschland Ulrike Rosenbach oder Rebecca Horn. Lygia Clark und Carolee Schneemann bildeten in den USA so etwas wie die Speerspitze vieler späterer „angry women“.

Schneemann kannte damals, Mitte der 60er-Jahre, die Wiener Aktionisten nicht: „Meine Aktionen waren nicht in dieser Form destruktiv, verleugnen nicht das Vergnügen, sondern beziehen den ekstatischen, erotischen Körper und das Unbewusste als Grundlage von Erkenntnis ein. Ende der 60er betrachteten mich die Wiener als ihre amerikanische Schwester.“ Bereits 1965 mischte sie in ihrem „Kinetic Theatre“ Blut, Hühner- und Fischteile mit den nackten Körpern der Akteure (Meat Joy).

Das mag jetzt nicht heißen, dass Frauen die besseren Männer auch im Aktionismus sein müssen. Durch die voyeuristische Vereinnahmung des Frauenkörpers durch die Jahrhunderte, dessen Objekthaftigkeit, ergaben sich geschlechtsspezifisch unterschiedliche Ansätze, die sehr oft subtiler und ironischer weitergeführt wurden als bei den männlichen Akteuren. Ansätze, die später aufgegriffen, verändert oder weiterentwickelt wurden. „Der Zurückweisung der männlich kodierten Verbalsprache durch prozessorientierte Körperarbeit – vor allem in Fotografie, Film oder Video – setzen jüngerer KünstlerInnen-Generationen den bewussten Einsatz linguistischer Systeme entgegen“, so Faber / Huck.

Der Aktionismus hat nie aufgehört, meinte Valie Export heute. Die Fesseln von Vater Staat, Mutter Natur und (männlicher) Ideologie seien heute nicht wesentlich lockerer geworden, man habe nur gelernt, damit besser umzugehen. Und weiter geht’s. (DER STANDARD, Printausgabe, 21./22.2.2004)

Quelle: www.basis-wien.at

V.Export: Aspects of feminist actionism

Natascha Gruber über Birgit Jürgenssen: „Family Jewel – The first Birgit Jürgenssen monograph portrays an outstanding artist of feminist avant-garde“

Carolee Schneemann