Veranstaltung WKO mit BMin Bandion-Ortner am 14.4.2011

Werte OrganisatorInnen,
werte PodiusmsteilnehmerInnen,

da mich der Ablauf der Veranstaltung „Was bringt die gemeinsame Obsorge?“ sehr erschüttert und verärgert hat, ist es mir als Teilnehmerin – und damit spreche ich auch im Namen vieler anderer Anwesenden dieses Abends – ein großes Anliegen, meine Wahrnehmungen dazu rückzumelden.

Diese Veranstaltung ist von Frau Landesrätin Mikl-Leitner beworben worden, mit dem Hinweis darauf, dass hier ein Forum für Pro- und Contra-Diskussionen zu einer notwendigen Gesetzesänderung geboten würde. Mehrere Mitarbeiterinnen aus Frauenberatungs- und Gewaltschutzeinrichtungen wie auch aus der feministischen Frauenbewegung haben vor diesem Hintergrund diese Einladung angenommen, um hier u.a. auch ihre täglichen Erfahrungen mit Obsorge- und Besuchsrechtsstreitigkeiten aus Sicht betroffener Frauen und deren Kinder in die Diskussion einzubringen. Und auch darauf hinzuweisen, dass der von BMin Bandion-Ortner vorgelegte Gesetzesentwurf in vielen Punkten weder für Frauen noch für Kinder eine Verbesserung darstellen würde. Und gerade Ihnen liegt ja das Kindeswohl besonders am Herzen.

Der Ablauf des Abends zeigte jedoch, dass die VeranstalterInnen gar nicht daran interessiert waren, eine breite Meinungsvielfalt zuzulassen bzw. dieser Stimme und Gehör zu verschaffen.
1. Die große Zahl der „Väterrechtler“ hat durch ihre Präsenz und ihr Verhalten eine immens bedrohliche Stimmung entstehen lassen. Viele von ihnen haben sich den Platz genommen, um ihre Einzelschicksale zu erzählen – und er wurde Ihnen auch gegeben – ohne Störungen. Als sich jedoch eine der Frauen mit einem feministischen Statement, dass sachlich und fundiert vorgebracht wurde, zu Wort meldete, gab es laufend lautstarke herabsetzende Bemerkungen, einige Männer sind mit gezückter Kamera vor dieser Frau auf und ab gelaufen und haben eine Unmenge an Fotos gemacht. Wofür? Dies waren definitiv keine Pressefotografen. Warum hat die Moderatorin in dieser Situation nicht eingegriffen? Warum wird es in einer öffentlichen Veranstaltung zugelassen, derart in die Intimsphäre einzudringen? Und zwar dann – wenn Männer die Grenzen von Frauen überschreiten. Und dies war eine massive Grenzüberschreitung – auch für mich, da ich neben dieser Frau gestanden bin und daher ebenfalls dieses Blitzlichtgewitter über mich ergehen lassen musste. Es war absolut bedrohlich und beängstigend.
2. Dazu gab es einen weiteren Vorfall gleich zu Beginn der Veranstaltung. Zwei junge Frauen wurden von der Security aus der WKO hinausgewiesen. Diese wollten lediglich auf eine friedliche und leise Art, ohne Störung der Veranstaltung, ihre Meinung demonstrieren, indem eine von ihnen Justitia darstellen sollte. Diese Form der Willenskundgebung wurde jedoch nicht gewünscht und die beiden Frauen von der Security total eingeschüchtert. Eine weitere Frau, die diese beiden Frauen vor den massiven Einschüchterungsversuchen der Security verteidigte, musste darum kämpfen, nicht auch noch selber des Platzes verwiesen zu werden. Auch hier – Männer überschreiten die Grenzen von Frauen, aber die Frauen haben dafür die Kosten zu zahlen. Warum muss eine solche Veranstaltung von einem massiven Aufgebot an Security geschützt werden? Warum werden Frauen hinausgeschmissen, die friedlich und nicht gewalttätig agieren – während offensichtlich gewalttätigen Männern keinerlei Grenzen gesetzt werden? Sollte nicht eher die Security das Publikum, unter denen sich auch Familienrichter und -richterinnen befanden, vor diesen „Väterrechtlern“ beschützen? Immerhin ist bekannt, dass die meisten Drohungen und Übergriffe bei Gerichtsverfahren von Vätern in Zusammenhang mit Obsorgeverfahren getätigt werden!

Diese Veranstaltung hat den Eindruck vermittelt, dass demokratische Grundrechte in diesem Land massiv in Gefahr sind, wenn offensichtlich gewalttätige Männer immens viel Platz bekommen, während Frauen, die eine andere als die am Podium (aufgrund der Einladungspolitik einseitig gestaltete) vorherrschende Meinung kundtun, beleidigt, abgewertet, unterbrochen, gegen den Willen fotografiert, des Raumes verwiesen werden. Was wird mit diesen Fotos passieren? Bisherige Erfahrungen zeigen, dass Personen – vor allem Frauen – die in der Öffentlichkeit eine andere Meinung vertreten, in weiter Folge massiven Belästigungen von einigen Vertretern dieser sogenannten „Kindeswohlvereine“ ausgesetzt sind, bis hin zu Stalking. Diese Behandlung macht auch nicht vor Familienrichtern und v.a. Familienrichterinnen halt. Sollte die Privatsphäre der betroffenen Frauen nun bedroht sein, werden wir sie sicherlich darüber in Kenntnis setzen.

Wollen sie wirklich diese Unterwanderung demokratischer Grundrechte zulassen oder noch schlimmer sogar fördern? Wo sind die anderen Stimmen in dieser Gesellschaft, warum wird denen kein Gehör verschafft? Warum trauen sich die Mütter der Kinder dieser Väter nicht, in der Öffentlichkeit zu sagen, warum sie das Besuchsrecht verweigern? Warum werden sie nicht danach gefragt? Ist der gerichtlich verordnete Umgang mit solchen Vätern, die eine dermaßige Gewaltbereitschaft ausstrahlen, Angst verbreiten und eine gegenteilige Meinung sofort verbal niedermachen, in Ihren Augen wichtig für die Entwicklung und das Wohlergehen des Kindes?

Ich bin zutiefst erschüttert über diese gesellschaftspolitische Entwicklung, die hier vor unseren Augen passiert. Und ich gehe davon aus, dass diese Entwicklung auch nicht in ihrem Sinne sein kann. Unabhängig davon, wer in Zukunft die Agenden des Justizministeriums lenken wird.

Hochachtungsvoll
R. E.
Vertreterin aus den Reihen der Frauen- und Mädchenberatungsstellen