2010, Hamann, Sibylle, Die Presse, Nachruf auf Johanna Dohnal

Es war einmal in Österreich
23.02.2010 | 19:01 | SIBYLLE HAMANN (Die Presse)
… und es ist gar nicht so lang her. Zur Erinnerung an Johanna Dohnal.

Es war einmal ein Land, da war der Ehemann das Oberhaupt der Familie. Er hatte das gesetzlich verbriefte Recht, über den Wohnort ebenso zu bestimmen wie über die Erziehungsziele der Kinder. Die Kinder waren ihm zu Gehorsam verpflichtet, und seine Ehefrau dazu, ihm zu folgen und den Haushalt zu führen. Wenn sie bei der Erfüllung dieser Pflicht nicht genügend Sorgfalt walten ließ, nach Ansicht des Familienoberhaupts zumindest, dann war das eine Eheverfehlung. Und er konnte die Scheidung einreichen.
Damit wurde ihr Leben nicht einfacher. Denn nach der Scheidung konnte sie gerade mal ihre Aussteuer mitnehmen. Alles Geld, das ein Mann während der Ehe verdient hatte, galt als sein Vermögen. Dass sie auch Geld hätte verdienen können, stand nicht wirklich zur Debatte – denn um berufstätig zu sein, hätte sie die Zustimmung des Gatten gebraucht.
Viel verdient hätte sie ohnehin nicht. Drei Viertel aller Frauen hatten damals bloß einen Pflichtschulabschluss, nur jede hunderste eine Uni-Ausbildung. Dass Arbeitgeber Frauen einen geringeren Stundenlohn zahlten als Männern, für die exakt gleiche Arbeit, war nicht nur inoffizielle Praxis, sondern ausdrücklich in Kollektivverträgen festgeschrieben.
Damit das so blieb, ließen die Parteien nur insgesamt acht weibliche Abgeordnete in den Nationalrat. Und damit die Mädchen nicht auf dumme Gedanken kämen, unterrichtete man sie getrennt von den Buben. Die Buben eher im Gymnasium, die Mädchen eher nicht. Zumindest, wenn sie am Land lebten, denn dort war der Weg ins Gymnasium weit, die Bücher waren teuer, Gratisschulbücher gab’s noch nicht, und sie würden eh heiraten. Im Werkunterricht lernten die Buben hämmern und sägen, die Mädchen stricken und nähen. Um sie aufs Leben vorzubereiten.
Frauenleben hieß: Kinder kriegen. Wirksame Verhütungsmittel waren ziemlich neu, damals. Wenn sie eine ungewollte Schwangerschaft beenden wollte, setzte eine Frau ihr Leben und ihre Gesundheit aufs Spiel. Abtreibung wurde mit schwerem Kerker zwischen einem und fünf Jahren bestraft. Wenn sie hingegen als ledige Frau ein Kind zur Welt brachte, war sie nicht einmal der gesetzliche Vormund. Das war, in Ermangelung eines Ehemanns, die Bezirkshauptmannschaft.
Nicht einmal über den eigenen Körper konnte eine Frau bestimmen. Frauenhäuser gab es nicht. Sexuelle Belästigung war nicht strafbar, Vergewaltigung nur manchmal. Denn das Strafmaß eines Vergewaltigers bemaß sich nicht an dem, was er getan hatte, sondern am Lebenswandel und am Verhalten seines Opfers. War die Frau mit dem Täter verheiratet, gab es gar nichts zu bestrafen, denn dem Ehemann gehörte sie ohnehin, siehe oben.
Es war einmal, und es ist gar nicht so lang her. Es war in Österreich, bis Anfang, Mitte der Siebzigerjahre. Nur weil man manches so schnell vergisst.

Sibylle Hamann ist Journalistin in Wien.