2010, Danneberg, Bärbel, Nachruf auf Johanna Dohnal

Johanna Dohnal, 1939 – 2010
Am 20. Februar, kurz nach ihrem 71. Geburtstag, ist Johanna Dohnal für uns alle viel zu früh und unerwartet verstorben. Wir trauern um eine Kämpferin, Feministin, Weggefährtin.

Staatssekretärin Johanna Dohnal, 1979

Von: Bärbel Danneberg (22.02.10)
Sie war immer eine Unbequeme. Eine, die aufrecht und mutig die Anliegen der Frauen vertrat und dafür viele Schläge einstecken musste. Eine, die dennoch beharrlich ihrer Überzeugung treu blieb und den Spagat zwischen ihrer Partei, der SPÖ, und der autonomen Frauenbewegung sowie den Frauen aus verschiedensten politischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen übte. In Erinnerung sind ihre Enqueten und Frauenforen zu brisanten Themen, auf denen sie das Gespräch zwischen Frauen unterschiedlichster Weltanschauung ermöglichte. Und in Erinnerung sind ihre Gespräche mit Feministinnen im Frauencafe in der Lange Gasse, ihre Teilnahme an den 8. März-Demonstrationen in den 80er Jahren, ihr engagiertes Auftreten als Politikerin und auch die Feier im Volkstheater im vergangenen Jahr zu ihrem 70. Geburtstag – Johanna war Hoffnung für viele.
Bruno Kreisky, der früh Johanna Dohnals „politisches Talent“ erkannte, holte sie 1979 als Staatssekretärin für allgemeine Frauenfragen in sein Kabinett. 16 Jahre lang war sie Regierungsmitglied – in sechs Legislaturperioden und unter drei Regierungschefs. Im Jänner 1991 wurde sie von Bundeskanzler Vranitzky als Frauenministerin angelobt. Sie reklamierte sich in die Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP hinein. „Ab diesem Zeitpunkt bekam ich mit, (…) wo der Koalitionspartner überall vorhatte zu kürzen“, schildert sie in Susanne Feigls Biographie „Was gehen mich seine Knöpfe an“. Für Johanna Dohnal war dies ein Hindernislauf zwischen Parteiloyalität und eigenständiger Entscheidung. Die Änderung des Kriegsmaterialiengesetzes im Zusammenhang mit dem Golfkrieg war „möglicherweise ein Punkt, wo es für die Geschichte wichtig gewesen wäre, nein zu sagen, nein, ich stimme dem nicht zu“. Ähnlich dachte sie über ihre Zustimmung zu den eklatanten Einschnitten bei der Karenzregelung. Diese Loyalität wurde von ihrer Partei nicht gedankt. In einem unwürdigen Akt und nach aufreibenden Verhandlungen um ein neuerliches Belastungspaket wurde sie im März 1995 von Vranitzky in die politische Wüste geschickt. Sie erfuhr als erstes davon aus den Medien. 1995 trat sie als Frauenministerin und als Bundesfrauenvorsitzende der SPÖ zurück.
Johanna Dohnal entstammte einer „Dynastie unehelicher Mütter“. 1939 als Johanna Diez geboren, wuchs sie ebenso wie ihre Mutter und Großmutter als uneheliches Einzelkind in einem Frauenhaushalt auf. Möglich, dass diese Frauengemeinschaft sie früh sensibilisiert hat für alles, was mit dem Überlebensalltag von Frauen zu tun hat. Die soziale Not der Nachkriegszeit hatte sie gelehrt, dass es in schlechten Zeiten nicht allen Leuten gleich schlecht geht und dass der Ausschluss von Bildung wenig mit mangelnder Begabung, sondern viel mit sozialer Herkunft zu tun hat. Diese Sozialisation wirkte sich auf ihre spätere politische Arbeit aus – bis in die jüngere Vergangenheit, wo sie mit ihrem Engagement für das Frauenvolksbegehren und dann für das Sozialstaats-Volksbegehen oder „SOS Mitmensch“ Partei ergriff für jene Menschen, die von der Politik „vergessen“ werden.
„Machtverhältnisse sind weder geschichtslos noch geschlechtsneutral“, war Johanna Dohnal überzeugt. So sorgte sie u.a. dafür, dass auch unverheiratete Frauen die Vormundschaft für ihr Kind bekommen, dass Kinder nicht automatisch die Staatsbürgerschaft des Vaters erhalten, dass nicht die misshandelten Frauen, sondern die gewalttätigen Männer die Wohnung verlassen müssen. Ihrem Einsatz verdanken es die Frauen, dass es Elternkarenzurlaub und das Bundesgleichbehandlungsgesetz gibt.
Mit Johanna Dohnal verliert die Frauenbewegung eine aufrecht Gehende und die Politik eine Weitsichtige. Wir trauern um eine Mitstreiterin, die viele Demütigungen und Schläge für uns einstecken musste und die uns Mut und Widerstand vorlebte. Unsere Anteilnahme gilt ihrer langjährigen Lebensgefährtin Annemarie Aufreiter und ihren Angehörigen.

Vorabdruck aus Volksstimme, März 2010